Ein Glas voll Mord
Abendgarderobe und ein paar wilden Kaninchen begegneten ihm allerdings keine ungebetenen Gäste. Als der Morgen über den Stallungen graute, schlich er zurück in das Herrenhaus und ins Bett.
Weil er keinen dringenden Termin hatte, erlaubte Rhys sich, bis neun zu schlafen. Er hatte Janet gesagt, sie müsse kein Frühstück für ihn machen, weil er doch sicher auch im Herrenhaus etwas zu essen bekäme. Sie hatte entgegnet, dass er sich da besser nicht so sicher sein solle und im Notfall ein Frühstück bei den Wadmans für ihn bereitstünde. Eine wunderbare Frau.
Er sah, dass Berts Auto im Hof stand, also war Janet in Sicherheit. Es war noch ein Rest abgestandener Kaffee in der Kaffeemaschine, eine Schachtel Cornflakes mit klebrigem Zuckerguss oder etwas ähnlich Gruseliges stand auf dem Tisch, und daneben hatte jemand umsichtig einen tiefen Teller und einen Löffel platziert. Er ignorierte das alles, machte sich eine Kanne starken Tee und schnitt sich eine dicke Scheibe von einem Laib Brot, den Janet beigesteuert haben musste. Nach dieser einfachen, aber sättigenden Mahlzeit ging er hinaus in den Hof.
Elmer, Gilly und der kleine Bobby waren draußen in dem neuen Verschlag für die Hunde, warfen Stöckchen und lachten, wenn die Welpen ihnen tapsig hinterherliefen. Rhys wollte mit Gilly sprechen, zögerte aber – er wusste, dass seine Anwesenheit ihren Frohsinn beeinträchtigen würde, und wegen ihres Bodyguards würde es sowieso kein offenes Gespräch werden. Auch mit Marion hätte er sich gern unterhalten, aber sie war nicht da.
Rhys schlenderte den Hügel hinunter und bemerkte, dass das Anwesen um das Herrenhaus herum tatsächlich weitläufig, aber steinig war und sehr karg aussah und dass es, über die neue Straße hinweg, die hinunter ins Dorf führte, einen wunderschönen Blick über das Tal gewährte. Sowohl für die seinerzeitige Baugesellschaft wie für Pitchervilles erwartungsvolle Geschäftsleute musste es enttäuschend sein, dass diese reizvolle Gegend sich so gar nicht zum Bauen eignete.
Über eine Meile weit gab es kein weiteres Haus. Dann traf er auf ein paar Wohnhäuser, die meisten davon recht gepflegt, jedes mit einem Blumengarten davor und einem großen Gemüsegarten mit Bohnenstangen und Kohl, Steckrüben und was nicht allem dahinter. Pitcherville war ein Ort, der etwas auf sich hielt.
Es war so heiß, dass er den Rock auszog, aber die Ärmel seines Hemdes ließ er zugeknöpft, und auch den Schlips behielt er unter seinem gelockerten Kragen. Es wäre nicht angebracht, sich noch lockerer zu geben, denn schließlich war er, trotz allem, im Dienst. Hinter jeder sauberen Gardine lauerte bestimmt mindestens ein Paar Augen, das jeden seiner Schritte beobachtete – und mittlerweile wussten sie gewiss alle, wer er war. Wie viele dieser anständigen Leute hatten wohl triftige Gründe, sich zu fragen, warum er sich so für ihre Häuser interessierte?
Ohne Schwierigkeiten fand Rhys Olsons Werkstatt und auch ihren Eigentümer. Olson saß auf einem kaputten Küchenstuhl im Eingang und kaute auf dem Mundstück einer erloschenen Pfeife.
»Guten Morgen, Marshall.«
»Morgen, Inspector.« Olson stand auf und holte einen zweiten Stuhl. »Wie läuft’s denn?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, sagte Rhys. »Ich stochere herum und sehe, was an die Oberfläche kommt. Ich nehme an, Sie haben gehört, dass die Mounties in der Stadt sind.«
»Ja.«
»Wissen Sie, wie Sam Neddick mich überführt hat?«
Um das Mundstück zeigte sich ein kleines Grinsen. »Er hat gesagt, in Moose Jaw haben Sie ihn mal drangekriegt wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.«
Das konnte alles Mögliche bedeuten, und das sollte es wahrscheinlich auch. Rhys lächelte bedauernd zurück. »Alte Gauner haben ein gutes Gedächtnis.«
»Sam vergisst nie was.«
»Und offensichtlich verzeiht er auch nichts. Von ihm kann ich wohl keine große Hilfe erwarten.«
»Eher nicht.«
Eine Weile saßen sie schweigend da. Olson tauschte seine erloschene Pfeife gegen eine andere, überraschend elegante Pfeife mit Goldring, stopfte sie und paffte, bis er ganz in Nebel gehüllt war. Schließlich ließ sich hinter der Wolke seine Stimme vernehmen. »Alle sagen, Jase Bain hat Sie hergeholt, um sein Patent von Elizabeth Druffitt zurückzukriegen. Keine Ahnung, wer das behauptet hat. Wahrscheinlich die alte Mama Fewter, wer sonst.«
»Aber warum Mrs. Druffitt? Ihre Tochter Gilly ist doch Mrs. Treadways Erbin, nicht sie. Kann Gilly
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