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Ein Glas voll Mord

Ein Glas voll Mord

Titel: Ein Glas voll Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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geschickt in seiner Kehle verschwinden ließ und dann davonflog, um sein Mahl in aller Ruhe auf einem Ast zu verdauen.
    »Du bist ein besserer Mensch als ich, Janet«, sagte Rhys schließlich. »Ich glaube nicht, dass ich einen Ort wie diesen jemand anderem überschreiben würde.«
    »Das könnte ich auch nicht«, gab Janet zu. »Vielleicht ist es gut, dass es nicht unser See ist. Unser Grundstück hört da hinten bei dem Hügelkamm auf.«
    »Und wem gehört der See?«
    »Er gehört zu dem Land der Treadways, soweit ich weiß. Die Treadways waren Loyalisten, die von Boston hierher kamen, zur Zeit der Amerikanischen Revolution. New Brunswick war eine königstreue Kolonie, wie du zweifellos weißt. Sie hatten damals ein riesiges Stück Land, Bert könnte dir sagen, wie viel Morgen es genau waren. Ein bisschen davon haben sie mit den Jahren an die Holzfabrikanten verkauft, und unsere Farm an meinen Urgroßvater, als wir aus England hierher kamen, aber dieses kleine Stück um den See herum, das haben sie behalten. Mein Urgroßvater brauchte es nicht, weil wir ja diesen anderen kleinen See haben, bei der unteren Weide, um die Kühe zu tränken, und ich nehme an, dass auch niemand sonst ihn wollte. Der See ist zu nichts zu gebrauchen, außer zum Ansehen.«
    »Gehst du denn nie hier schwimmen?«
    »Oh, doch, obwohl man höllisch aufpassen muss, wegen der Alligatorschildkröten. Manche von diesen Biestern können dir die Zehen abbeißen. Aber das Wasser ist herrlich, auch wenn es nie wirklich warm wird. Der See speist sich nämlich aus unterirdischen Quellen. Ach, guck mal da, ein erstes Glühwürmchen. Und«, sie schlug sich auf den nackten Unterarm, »der erste Moskito.«
    Rhys wollte noch nicht gehen, aber seine Pflicht befahl ihm vorzuschlagen: »Sollen wir zurückgehen, bevor wir bei lebendigem Leibe verspeist werden?«
    Das »wir« war pure Höflichkeit. Die Moskitos ignorierten ihn zugunsten von Janets saftigerer Epidermis – welches vernünftige Insekt würde das nicht?
    Sie stiegen zum Felsgrat hinauf, wo der Wind etwas stärker wehte und weniger Moskitos waren. Als sie oben waren, blickten sie zurück auf den See. Die Dämmerung war fortgeschritten, und die Glühwürmchen erbrachten pyrotechnische Glanzleistungen.
    »So ein schöner, schöner Ort«, seufzte Janet. »Unten in Saint John habe ich immer von diesem See geträumt. Ich wünschte, unsere Familie hätte ihn damals gekauft. Ich will mir gar nicht vorstellen, was jetzt mit ihm passieren könnte.«
    »Was denn?«, fragte Rhys, obwohl er es genau wusste.
    »Vieles, fürchte ich. Wir haben nie darüber nachgedacht, als Mrs.   Treadway noch lebte, weil wir wussten, sie würde nie etwas tun, das uns verletzen könnte … aber sobald Marion die Eigentumsurkunde in der Hand hält, wird sie an den Nächstbesten verkaufen. An irgendeinen dieser reichen so genannten Naturliebhaber, der alle Bäume fällen und sich ein schickes Jagdhaus bauen und ganze Partygesellschaften per Helikopter einfliegen lassen wird, und die wanken dann hier alle sturzbetrunken herum und schießen auf alles, was sich bewegt, sie werden den See verschmutzen und die Reiher vertreiben …«
    »Und die bissigen Schildkröten«, fügte Rhys betroffen hinzu.
    »Die Schildkröten waren wohl auch eher da, wie?«
    »Könntet ihr nicht als Erste ein Angebot machen?«
    »Ja, das könnten wir – wenn wir so viel Geld hätten. Du kannst drauf wetten, dass Marion den höchstmöglichen Preis verlangen wird. So wie es aussieht, können wir wohl nur einen Zaun hochziehen und beten.«
    »Wo der Ort hier doch jetzt besser angeschlossen ist, könnte Bert ja ebenfalls für ein hübsches Sümmchen verkaufen.«
    Janet schnappte nach Luft, als habe Rhys ein ausgesprochen schmutziges Wort gesagt. »Bert würde niemals verkaufen! Diese Farm ist sein Leben. Wenn er je wegziehen müsste, würde er sterben.«
    Rhys nickte. Er wusste von Leuten, die gestorben waren, weil sie ihre angestammten Ländereien verlassen mussten. Er wusste von anderen, die gestorben waren, weil sie sie nicht verlassen wollten. Der Fall bekam immer neue Facetten, und er mochte ihn immer weniger.

13. Kapitel
    Rhys wünschte Janet züchtig eine gute Nacht und ging zurück zum Herrenhaus, in das ihm zugewiesene Schlafzimmer. Als Marion, Gilly und der ganze Rest zu Bett gegangen waren, schlich er aus dem Haus, ging zurück zu den Wadmans und hielt Nachtwache in der Hängematte auf der Veranda. Außer zwei Waschbären, einer Stinktierfamilie in

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