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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Frau!« Er lacht. Aber was nützt das schon; der Römer wird nicht mitlachen. Andere von seiner Sorte strömen den Korridor herunter, ihre bleiernen Körper töten die letzten Schwingungen von Dillons Ausrufen. »Wahrheit! Liebe!« Verzerrte Töne, die sich verlieren. Ich werde euch heute nacht unterhalten, sagt er ihnen lautlos. Ich werde euch aus euren elenden Köpfen herausholen, und ihr werdet mich dafür lieben. Wenn ich nur eure Gehirne verbrennen, eure Seelen versengen könnte!
    Er denkt an Orpheus. Sie würden mich in Stücke reißen, erkennt er, wenn sie mich jemals wirklich verstehen würden.
    Er schlendert langsam in Richtung auf das Schallzentrum.
    Bei der Korridorbiegung hält er inne, noch immer die Hälfte des rund ums Gebäude führenden Wegs vom Auditorium entfernt. Dillon verspürt unvermittelt eine ekstatische Bewußtheit vom Glanz und der Größe des Urbmons. Eine wahnsinnige Vision; er sieht ihn als einen Dorn, der frei zwischen Himmel und Erde schwebt. Und er befindet sich jetzt fast genau in seiner Mitte, mit wenig mehr als fünfhundert Ebenen über seinem Kopf, etwas weniger als fünfhundert Ebenen unter seinen Füßen. Leute gehen umher, kopulieren, essen, gebären, tun eine Million glückselige Dinge, und jeder von den 800-und-noch-was-tausend bewegt sich in seiner eigenen Umlaufbahn. Dillon liebt das Gebäude. Ob seiner Vielfältigkeit könnte er fast fliegen, so empfindet er eben jetzt, wie andere nur durch Drogen zum Fliegen kommen können. Am Äquator zu sein, sich am göttlichen Gleichgewicht zu laben – oh, ja, ja! Und es gibt natürlich einen Weg, die ganze Komplexität des Urbmons gleichzeitig zu erleben, in einem einzigen, reißenden Strom von Informationen. Er hat es noch nie versucht, denn er steht nicht auf solchen massiven Trips, und er hat sich bisher von den stärkeren Drogen ferngehalten, die das Bewußtsein so weit aufreißen, daß alles – wirklich alles – eindringen kann. Aber er weiß, hier im Mittelpunkt des Urbmons, daß er in dieser Nacht den Multiplexer versuchen wird. Nach der Vorstellung. Er wird die Pille einwerfen, um seine geistigen Barrieren einstürzen zu lassen, um die volle Größe und Weite des Urban Monad 116 in sein Bewußtsein aufzunehmen. Ja. Er wird es unbedingt in der 500. Etage tun. Wenn mit der Vorstellung alles klargeht. Er wird in Bombay nachtwandeln. Er sollte sich eigentlich in der Stadt antörnen, in der das heutige Konzert abgehalten wird, aber Rom reicht nur bis zur 521. Etage hinab, und er muß zur 500. – und zwar der mystischen Symmetrie wegen. Obwohl das noch immer ungenau ist. Wo befindet sich der genaue Mittelpunkt eines Gebäudes von tausend Stockwerken? Irgendwo zwischen der 499. und der 500. Ebene, nicht? Aber die 500. wird es eben tun müssen. Wir haben gelernt, mit Annäherungen zu leben.
    Er betritt das Schallzentrum.
    Ein schönes neues Auditorium, drei Ebenen hoch, mit einer pilzförmigen Bühne im Mittelpunkt und konzentrisch um sie angeordneten Zuschauernetzen. Die Mäuler der Lautsprecher sind in die domartige, reichlich mit Stoffen verhangene Decke eingelassen. Ein warmer Raum, der sich dank der göttlichen Gnade derer von Louisville hier befindet, um ein wenig Freude in das Leben dieser bleichen saftlosen Römer zu bringen. Für eine Kosmosgruppe gibt es im ganzen Urbmon keine bessere Halle. Die anderen Mitglieder der Gruppe sind schon hier, stimmen ihre Instrumente ein. Die Kometenharfe, der Inkantator, der Umlaufbahn-Taucher, der Schwerkrafttrinker, der Dopplerumwandler, der Spektrumreiter. Schon wird der Raum mit Fetzen von seltsamen Tönen und dahinhuschenden Farben erfüllt, und wie eine Welle erhebt sich ein reines, absolut auf nichts bezogenes Gefüge, abstrakt und immanent, vom Zentralkegel des Dopplerinverters. Alles winkt ihm zu. »Spät dran«, sagen sie. Und: »Woher kommst du denn?« Und: »Dachten schon, du läßt uns sitzen.«
    »Ich war da draußen in den Korridoren«, erklärt er, »und habe versucht, bei den Römern mit Liebe und Wahrheit hausieren zu gehen.« Sie brechen in schallendes Gelächter aus, das ihm entgegenhallt, während er auf die Bühne klettert. Sein Instrument steht noch unbeachtet am äußeren Rand, und eine Hebemaschine steht bereit, um sie an ihren Platz zu liften. Die Maschine hat den Vibrastar ins Auditorium gebracht, und sie könnte das Instrument auch einstimmen, wenn er das wollte; aber das will er natürlich nicht. Für Musiker ist das Einstimmen ihrer eigenen Instrumente

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