Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
und findet sie wieder verschlossen. Er ist allein. Und noch immer ein Gefangener.
Ein langer, träger Tag. Niemand kommt herein, außer dem Mädchen, das ihm sein Mittagessen bringt. Die Enge seiner Zelle bedrückt ihn. Durch das vergitterte Fenster beobachtet er das Treiben außerhalb, und er drückt sogar den Kopf zwischen den Stäben hindurch, um alles zu sehen. Die kräftigen Farmer laden Säcke, die mit ihren Erzeugnissen gefüllt sind, auf ein Transportband, das im Boden verschwindet – es führt zweifellos zu dem Kurierkapsel-System, das Lebensmittel zu den Urbmons und industrielle Güter zu den Landwirtschaftskommunen befördert. Das Opferlamm der letzten Nacht, Milcha, hinkt vorbei, offenbar an diesem Tag von der Arbeit befreit; die Dorfbewohner grüßen sie mit sichtlicher Ehrerbietung. Sie lächelt und streicht mit ihrer Hand über die Wölbung ihres Leibs. Artha bekommt er nicht zu Gesicht. Warum lassen sie ihn nicht frei? Er ist ziemlich sicher, daß er sie davon überzeugt hat, kein Spion zu sein. Und in jedem Fall könnte er der Gemeinde kaum Schaden zufügen. Doch er verbleibt in seiner Zelle, während der Tag verrinnt. Und draußen gehen die geschäftigen Leute vorbei, schwitzend, sonnengebräunt, immer einer sinnvollen Arbeit nachgehend. Er sieht nur einen kleinen Teil der Gemeinde: Außerhalb seines Gesichtskreises muß es Schulen, ein Theater, ein Regierungsgebäude, Warenhäuser und Reparaturläden geben. Bilder vom Unfruchtbarkeitstanz der vergangenen Nacht treiben durch sein Bewußtsein. Dieses Barbarentum; die wilde Musik; die Qualen der schwangeren Frau. Aber trotz dieser Dinge weiß er, daß es eine Fehleinschätzung wäre, von diesen Farmern als einem primitiven, einfachen Volk zu denken. Sie erscheinen ihm exotisch, aber ihre Wildheit ist nur oberflächlich, eine Maske, die sie hauptsächlich tragen, um sich von den Urbmon-Leuten zu unterscheiden. Dies ist eine komplexe Gesellschaft, die in einem ausbalancierten Gleichgewicht gehalten wird, so komplex wie seine eigene, mit hochentwickelter Technik, die in Gang gehalten werden muß. Mit Sicherheit haben sie irgendwo ein Computerzentrum, von dem aus das Anpflanzen, die laufende Bearbeitung und das Abernten der Feldfrüchte kontrolliert werden, und dazu benötigen sie eine Reihe von ausgebildeten Technikern. Außerdem sind da biologische Probleme, mit denen sie zurechtkommen müssen: Pestizide, Unkrautvernichtung und so weiter, all die erforderlichen ökologischen Maßnahmen. Und die Überwachung und Wartung des Transportsystems, das die Gemeinde und die Urbmons durch unterirdische Röhren miteinander verbindet. Er begreift, daß er nur die Oberfläche dieses Ortes wahrnehmen kann.
Am Spätnachmittag kommt Artha wieder in seine Zelle.
»Werden Sie mich bald gehen lassen?« fragt er.
Sie schüttelt den Kopf. »Es wird diskutiert. Ich habe deine Freilassung empfohlen. Aber es sind sehr mißtrauische Leute unter ihnen.«
»Von wem redest du?«
»Die Häuptlinge. Die meisten von ihnen sind alte Männer, verstehst du, die ein grundlegendes Mißtrauen gegenüber Fremden haben. Ein paar von ihnen wollen dich am liebsten dem Erntegott opfern.«
»Opfern?«
Artha grinst. Sie ist jetzt nicht mehr abweisend; sie ist entspannt und freundlich, steht auf seiner Seite. »Hört sich furchtbar an, nicht wahr? Aber so etwas kommt vor. Unsere Götter verlangen gelegentlich nach menschlichem Leben. Kommt es in den Urbmons nicht vor, daß einzelnen das Leben genommen wird?«
»Wenn jemand die Stabilität unserer Gesellschaft bedroht, ja«, gibt er zu. »Gesetzesbrecher gehen den Schacht hinunter. In die Verbrennungskammern ganz unten im Gebäude. So tragen sie mit ihrer Körpermasse zur Energiegewinnung bei. Aber…«
»Ihr tötet also, damit auch weiterhin alles reibungslos läuft. Nun ja, das tun wir auch. Nicht oft. Ich glaube auch nicht unbedingt, daß sie dich töten werden. Aber es ist noch nicht entschieden.«
»Wann wird das geschehen?«
»Vielleicht heute nacht. Oder morgen.«
»Wie kann ich für die Gemeinde eine Gefahr darstellen?«
»Das behauptet niemand«, sagt Artha. »Trotzdem könnte es sein, daß es positive Wirkungen hat, wenn wir das Leben eines Urbmon-Bewohners opfern. Es könnte verstärkten Segen über uns bringen. Das ist eine philosophische Sache, die nicht einfach zu erklären ist: die Urbmons stellen die höchste Form des Verbrauchern, des Konsumierens dar, und wenn unser Erntegott einen Urbmon als Opfergabe annehmen
Weitere Kostenlose Bücher