Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Nahrungsmittel nur noch für unseren eigenen Bedarf reichen würden? Es bliebe nichts mehr für euch übrig. Kinder müssen irgendwo untergebracht werden. Häuser beanspruchen Land. Wie können wir Land bewirtschaften, auf dem ein Haus steht? Wir müssen uns Grenzen setzen.«
»Aber ihr braucht euer Dorf doch nicht auf Kosten der Felder zu vergrößern. Ihr könnt nach oben bauen, wie wir es tun. Und so könnt ihr euch um das Zehnfache vermehren, ohne dafür mehr Land zu benötigen. Natürlich, ihr würdet mehr Nahrungsmittel brauchen und könntet etwas weniger an uns liefern, das stimmt, aber…«
»Du verstehst absolut nicht«, unterbricht ihn Artha barsch. »Sollen wir unsere Gemeinde in einen Urbmon verwandeln? Ihr habt eure Lebensweise; wir haben unsere. Unsere verlangt, daß wir nur wenige bleiben und inmitten von fruchtbaren Feldern leben. Warum sollten wir werden wie ihr? Wir sind stolz darauf, daß wir nicht so sind. Wenn wir uns weiter ausdehnen wollten, dann müßten wir es horizontal tun, nicht wahr? Wir müßten im Lauf der Zeit die ganze Oberfläche der Welt mit einer toten Kruste von geeigneten Straßen und Wegen überziehen, wie es in früheren Tagen war. Nein. Darüber sind wir hinaus. Wir legen uns gewisse Beschränkungen auf und leben auf unsere Weise, und wir sind glücklich dabei. Und so wird es immer sein. Ist das so unverständlich? Wir können die Urbmon-Leute nicht verstehen, weil sie ihre Geburten nicht begrenzen, ja sogar zu unbegrenzter Vermehrung anhalten.«
»Es besteht keine zwingende Notwendigkeit, unsere Geburten zu begrenzen«, versucht er ihr zu erklären. »Es ist mathematisch bewiesen worden, daß wir noch nicht einmal begonnen haben, die Möglichkeiten unseres Planeten auszuschöpfen. Unsere Bevölkerung könnte sich verdoppeln oder sogar verdreifachen, und solange wir weiterhin in vertikalen Städten in Urban Monads leben, haben wir Platz für jeden. Ohne produktives Farmland zu verschwenden. Wir bauen alle paar Jahre einen neuen Urbmon, und dabei nehmen die Nahrungsmittelvorräte nicht einmal ab, und unsere Lebensweise verändert sich nicht…«
»Glaubst du, daß das ewig so weitergehen kann?«
»Nein, ewig natürlich nicht«, gibt Michael zu. »Aber für sehr lange Zeit. Fünfhundert Jahre vielleicht, bei unserer gegenwärtigen Zuwachsrate, bevor es uns tatsächlich zu eng würde.«
»Und dann?«
»Sie werden dieses Problem sicher lösen können, wenn es einmal soweit ist.«
Artha schüttelt entschieden den Kopf. »Nein! Nein! Wie kannst du so etwas sagen? Sich unaufhörlich zu vermehren, ohne an die Zukunft zu denken…«
»Sieh mal«, sagt er, »ich habe mit meinem Bruder darüber gesprochen, er ist Historiker. Er hat sich auf das zwanzigste Jahrhundert spezialisiert. Damals haben sie geglaubt, daß jedermann hungern müßte, wenn die Weltbevölkerung über fünf oder sechs Milliarden hinaus anwachsen würde. Viel Gerede von einer Bevölkerungskrise usw. usw. Nun ja, dann kam der Zusammenbruch, und danach wurden die Dinge neu organisiert, die ersten Urbmons wurden hochgezogen, die alte horizontale Benützung des Landes wurde verboten, und was war dann? Wir haben herausgefunden, daß wir Platz genug haben für zehn Milliarden Menschen. Und dann zwanzig. Und dann fünfzig. Und jetzt fünfundsiebzig. Größere Gebäude, ertragsstärkere Nahrungsproduktion, eine größere Konzentration der Menschen auf der unproduktiven Landfläche. Wer sind wir denn, daß wir nun sagen könnten, unsere Nachfahren werden nicht in der Lage sein, mit den zunehmenden Bevölkerungszahlen fertig zu werden, bis zu fünfhundert Milliarden, tausend Milliarden, wer weiß? Die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts hätten nicht geglaubt, daß die Erde so viele Menschen wie heute verkraften kann. Was sollen wir uns also jetzt schon um ein Problem kümmern, das vielleicht nie eins sein wird? Wir würden gegen Gottes Gebote verstoßen, wenn wir heute unsere Geburten begrenzen würden, wir würden uns gegen das Leben selbst versündigen, ohne jede Gewißheit zu haben…«
»Pah!« wirft Artha ein. »Du wirst uns nie verstehen. Und ich vermute, wir werden auch euch nie verstehen lernen.« Sie erhebt sich und geht auf die Tür zu. »Und dann will ich noch eins von dir wissen. Wenn das Leben im Urbmon so wunderbar ist, warum bist du dann überhaupt weggegangen und in die Felder eingedrungen?« Und sie wartet seine Antwort gar nicht erst ab. Die Tür fällt hinter ihr ins Schloß; er geht zu ihr hin
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