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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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einen Geisteszustand erreicht, in dem ich mir selber sagen konnte, daß ich die Revolution unterstützen würde, selbst wenn sie den Verlust meiner eigenen gesellschaftlichen Unabhängigkeit bedeutete, und zwar in der gleichen Weise, wie ich die gleichen Verluste im Falle meiner Einberufung zum Kriege hinnehmen würde. Als ich jedoch diesen Standpunkt erreicht hatte, sah ich vor mir immer noch Zukunftsbilder, die mir Schrecken einflößten und die nichts mit meinem eigenen persönlichen Interesse zu tun zu haben schienen. Ich konnte es nicht einfach hinnehmen, daß es notwendig war, anderen die Freiheit abzusprechen, das zu sagen, was sie für wahr hielten, falls es zufällig im Gegensatz zu den irgendwie willkürlichen Markierungen stand, wie sie von der proletarischen Diktatur festgelegt worden waren. Ich konnte nicht glauben, daß es, politisch gesehen, reaktionär war, an Gott zu glauben oder Auffassungen von der Natur oder der Menschheit zu haben, die im marxistischen Sinne nicht „wissenschaftlich" waren; dies baute, wie es mir schien, eine wissenschaftliche Methode auf der Verleugnung der wissenschaftlichen Geisteshaltung einer freien Forschung auf.
    Für den Intellektuellen, der guten Willens ist, ist der Kommunismus ein Gewissenskampf. Viele Dinge werden klar, wenn man dies versteht. Unter anderem auch die Tatsache, daß die Kommunisten, die sich in einer Art und Weise betragen, die Nichtkommunisten skrupellos erscheinen mag, doch vollkommen ernsthaft sein können. Derartige Kommunisten sind wie Schiffe, die an zwei Stellen – achtern und am Vorderschiff – verankert sind, und das inmitten von gegeneinander fließenden Strömungen, die jedes andere Schiff hin und her schaukeln. Die zwei Anker sind einmal die eingefleischte Vorstellung von den durch den Kapitalismus begangenen Untaten und die ebenso fest eingepflanzte Vorstellung von der zukünftigen klassenlosen Gesellschaft. Das Auf und Ab der Gezeiten, das das liberale Gewissen beunruhigt, sind die Skrupel über die Maßnahmen, die notwendig sind, um die Ziele des Kommunismus zu erreichen, und das Wissen um Vorgänge, wie sie das Leiden von Tausenden von Menschen sind, die zufällig keine Kommunisten sind.
    Dieses zweifach gesicherte kommunistische Gewissen erklärt auch die bußfreudige, geständnisbereite Haltung, wie sie Nichtkommunisten zuweilen gegenüber orthodoxen Kommunisten – mit ihrem im historischen Materialismus verankerten, wenn nicht versteinerten Gewissen – an den Tag legen. Es liegt etwas Überwältigendes in dem festverankerten Gewissen. Es liegt ein gewisser Zwang in der Situation des Kommunisten und seinem Glauben, mit dem er den Liberalen mißbilligt, dessen Gewissen von einem Fall zum anderen, von Zweifel zu Zweifel, wobei er hier die Freiheit eines Schriftstellers, der nicht im Schriftstellerverband ist – zum Beispiel eines sozial gewissenlosen Surrealisten —, verteidigt, dort für einen katholischen Geistlichen und da wieder für einen liberalen Professor im Gefängnis eintritt. Welch eine Macht liegt in einem Gewissen, das uns nicht nur Vorwürfe macht wegen gewisser Laster und Schwächen, sondern auch wegen gewisser Tugenden, wie des Mitleids mit Unterdrückten, wenn es zufällig die falschen Unterdrückten sind, oder wegen der Liebe zu einem Freunde, wenn er kein gutes Parteimitglied ist. Ein Gewissen, das uns bedeutet, daß wir, wenn wir heute eine gewisse politische Haltung einnehmen, eine wuchtige, granitähnliche Überlegenheit über unsere gesamte Vergangenheit gewinnen können, ohne daß wir dabei demütig, schlicht oder schuldig zu sein brauchen, sondern einfach nur dadurch, daß wir unsere gesamte Persönlichkeit in Rohmaterial zur Verwendung für die Parteimaschine verwandeln! Wie leicht es ist, zu versichern, daß liberale Skrupel, und mögen sie noch so guten Absichten entspringen, das letzte soziale Gut aller Dinge verkennen; wie leicht läßt es sich behaupten, daß sie in Wirklichkeit winzige Außenposten der Verteidigungslinie der Bourgeoisie sind, und daß der Mann, der guten Willens ist, die Kräfte verteidigen darf, die die größten Katastrophen der modernen Welt bewirkt haben.
    Ich habe bereits den nahezu mystischen Glauben an die Arbeiter als einer Klasse, die die Bourgeoisie ablösen wird, erwähnt, so wie er zweifellos Chalmers beeinflußte. Der Begriff „Arbeiter" beeinflußt auch den Gewissenskonflikt des intellektuellen Kommunisten oder Mitläufers. Denn wie groß auch sein Glauben an

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