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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Pächter hatte ihn bis zu diesem Zeitpunkt je zu Gesicht bekommen, auch nicht von weitem), war der Haß gegen ihn etwas Erlaubtes gewesen, etwa wie die Flüche, die man gegen feindlich gesinnte Götter ausstößt; sie nützen nichts und geben doch eine gewisse Befriedigung. Aber siehe da, die Wolken zerrissen, und der Fürst stieg herab in die Reichweite der Menschen. Deshalb mußte man seine Haßausbrüche von jetzt an auf den engen Kreis des Privatlebens beschränken und sich dazu bequemen, ihn auf den Straßen mit gebührenden Ehren zu empfangen.
    Mein Vater schien dieser Logik abgeneigt. Er war der jüngste von mehreren Brüdern, die sämtlich einiges Land besaßen; der jüngste, der unruhigste und der einzige, der zum Widerstand bereit war. Eines Abends suchten ihn seine älteren Brüder auf, um ihm im allgemeinen Interesse zu raten, sich vorsichtig und klug zu verhalten. Ihr Gespräch war für mich, der ich unbeobachtet dabei saß, weil die Erwachsenen glaubten, daß Kinder solche Dinge noch nicht verständen, höchst aufschlußreich.
    „Die Kandidatur des Fürsten ist eine wahre Posse", räumte der älteste Bruder ein. „Die Abgeordnetensitze sollten den Anwälten und ähnlichen Schwätzern vorbehalten bleiben. Aber da der Fürst nun einmal kandidiert, bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn zu unterstützen." – „Wenn die Kandidatur des Fürsten eine Posse ist", antwortete mein Vater, „verstehe ich nicht, warum wir sie unterstützen sollten." – „Weil wir von ihm abhängen, wie du weißt", wurde ihm geantwortet. „Nicht in der Politik", sagte mein Vater, „politisch sind wir frei." „Wir bestellen nicht die Politik, sondern unsere Felder", antworteten sie ihm. „Als Landwirte sind wir vom Fürsten abhängig." – „In den Pachtverträgen", sagte mein Vater, „ist nicht von Wahlen die Rede, sondern von Kartoffeln und Rüben. Als Wähler sind wir frei." „Ebenso frei wird nach der Wahl die Gutsverwaltung des Fürsten sein, uns den Vertrag nicht zu erneuern", wurde ihm geantwortet. „Also müssen wir uns für ihn erklären." – „Ich kann niemanden unter Zwang wählen", sagte mein Vater. „Ich müßte mich ja schämen." „Niemand erfährt, wie du wählst", lautete ihre Antwort. „In der 'Wahlkabine kannst du wählen, wie du willst. Aber während des Wahlkampfes müssen wir uns gemeinsam für den Fürsten erklären." – „Ich würde es gern tun, wenn ich mich deswegen nicht so schämen müßte", sagte mein Vater. „Aber glaubt mir nur, ich würde mich sehr schämen." Schließlich kamen mein Vater und seine Brüder zu folgendem Kompromiß: er würde sich weder für noch gegen den Fürsten erklären.
    Die Wahlreise des Fürsten wurde von den Zivilbehörden, der Polizei, den Karabinieri und der Gutsverwaltung sorgfältig vorbereitet Und eines Sonntags geruhte der Fürst tatsächlich, die wichtigsten Gemeinden des Wahlkreises zu besuchen, ohne sich indessen irgendwo aufzuhalten oder irgendwelche Reden zu halten. Es war eine denkwürdige Reise, von der bei uns noch lange gesprochen wurde, vor allem deswegen, weil der Fürst in einem Auto fuhr, ein Gefährt, das wir noch nie gesehen hatten. Selbst die Bezeichnung Automobil war den meisten noch völlig unbekannt. Unsere Bauern nannten das Ding den „Wagen ohne Pferde". Seltsame Legenden kursierten unter dem einfachen Volk über die unsichtbare Triebkraft, welche die Pferde ersetze, über die teuflische Geschwindigkeit, die das neue Fahrzeug erreiche, und die schädlichen Auswirkungen, die der von ihm verbreitete Gestank vor allem auf die Weinberge habe.
    An jenem Sonntag war die ganze Einwohnerschaft meines 'Sodes dem Fürsten zur Begrüßung entgegengegangen. Sie empfingen ihn mit allen Anzeichen der Bewunderung und allgemeiner Zuneigung. Die Menge war festlich gekleidet und in begreiflicher Erregung. Der „Wagen ohne Pferde" kam mit Verspätung an. Er brauste quer durch die Menge und das Dorf, ohne anzuhalten oder auch nur die Fahrt zu verlangsamen, eine dicke weiße Staubwolke hinter sich zurücklassend. Die Agenten des Fürsten erklärten dann jedem, der es hören wollte, daß der „Wagen ohne Pferde" mit „Benzindampf" fahre und nur anhalten könne, wenn das Benzin zu Ende sei. „Das ist nicht wie bei Pferden", erklärten sie, „bei denen man nur die Zügel anzuziehen braucht. Hier gibt es keine Zügel. Habt ihr vielleicht Zügel gesehen?"
    Zwei Tage später kam ein kurioser kleiner Greis aus Rom an. Er trug eine Brille, einen

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