Ein Gott der keiner war (German Edition)
Konnte das stimmen? Zweifellos doch. Was für eine Art von Klub unterhielten wir dann aber, wenn ein Irrer einfach daherkommen und mitmachen konnte? Waren wir denn selbst schon so verrückt, daß wir einen Verrückten nicht mehr von einem normalen Menschen unterscheiden konnten?
Ich stellte einen Antrag, daß alle Beschuldigungen gegen Swann niedergeschlagen werden sollten, was denn auch geschah, und bot Swann darüber hinaus eine Ehrenerklärung an. Dennoch hatte meine kommunistische Überzeugung durch diese Vorgänge einen schweren Schlag erlitten.
4
Die Kommunistische Parteifraktion des John Reed Club instruierte mich, meine Parteizelle zu bitten, mir die volle Verantwortung für die Arbeit im Klub zu übertragen. Ich wurde angewiesen, der Zelle einen Bericht über meine Tätigkeit zu geben: über meine schriftstellerische, organisatorische und rednerische Tätigkeit. Ich sagte zu und schrieb den Bericht.
Die Zelle, der anzugehören für jeden Kommunisten obligatorisch ist, bildet die Grundeinheit der Parteiorganisationen. Zellenzusammenkünfte finden an bestimmten Abenden statt, die aus Furcht vor Polizeirazzien geheimgehalten werden, obwohl bei ihnen nichts Hochverräterisches geschieht; wenn man jedoch erst einmal Kommunist ist, braucht man sich nichts Besonderes mehr zuschulden kommen zu lassen, um die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu ziehen.
Ich kam zu meinem ersten Zellenabend – der im „Schwarzen Belt" im Südbezirk abgehalten wurde – und stellte mich dem Leiter vor. „Willkommen, Genosse", sagte er grüßend. „Wir freuen uns, einen Schriftsteller unter uns zu haben."
„Mit meiner Schriftstellerei ist es nicht weit her", sagte ich.
Die Veranstaltung begann. Ungefähr zwanzig Neger waren versammelt. Als die Reihe zu berichten an mich kam, nahm ich meine Notizen heraus und erzählte, wie ich dazu gekommen war, der Partei beizutreten, wie ich gelegentlich ein paar Zeitungsartikel veröffentlicht hatte, welches meine Aufgaben im John Reed Club waren. Ich hatte geendet und wartete auf eine Antwort. Aber alles blieb still. Ich blickte umher. Die meisten Genossen saßen mit gesenkten Köpfen da. Mit einem Mal gewahrte ich zu meiner Überraschung ein krampfhaftes Lachen auf den Lippen einer Negerin. Minuten vergingen. Die Negerin hob den Kopf und blickte zum Leiter hin. Dieser unterdrückte ein Lachen. Dann brach die Frau in ein unbändiges Gelächter aus, beugte sich nach vorne und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ich war starr. Hatte ich etwas Dummes gesagt?
„Was ist denn los?" fragte ich.
Das Gekicher wurde allgemein. Der Zellenleiter, der mit seinem Bleistift spielte, blickte auf.
„Es ist schon recht, Genosse", sagte er. „Wir sind froh, einen Schriftsteller in der Partei zu haben."
Da gab es noch mehr unterdrücktes Lachen. Was waren das für Leute! Ich hatte einen ernsthaften Bericht gegeben, und die Antwort war allgemeines Gekicher!
„Ich gab mein Bestes", sagte ich mißmutig.
„Ich stelle fest, daß Schriftstellerei nicht für grundlegend oder wichtig gehalten wird. Aber mit der Zeit hoffe ich doch, meinen Beitrag leisten zu können."
„Wir wissen, daß du das kannst, Genosse", sagte der schwarze Leiter.
Sein Ton war gönnerhafter als der eines Weißen aus den Südstaaten. Ich wurde ärgerlich. Ich glaubte, ich würde diese Leute kennen; aber offenbar kannte ich sie nicht. Ich mußte etwas behauptet haben, was ihrer Meinung völlig zuwiderlief; vorsichtshalber besprach ich mich darüber aber erst mit anderen.
Während der folgenden Tage erfuhr ich durch vorsichtiges Nachfragen, daß ich den schwarzen Kommunisten als ein Phantast erschienen war. Ich war entrüstet zu hören, daß man mich, der ich doch nur eine Grundschule besucht hatte, als „Intellektuellen" klassifiziert hatte. Was war ein Intellektueller? Ich hatte dieses Wort nie in dem Sinne gebrauchen hören, in dem man es auf mich anwendete. Ich hatte geglaubt, daß sie mich möglicherweise ablehnen würden, weil ich politisch nicht fortgeschritten genug war; ich hatte geglaubt, sie könnten sagen, es müßten erst Nachforschungen über mich angestellt werden. Aber sie hatten mich einfach ausgelacht.
Ich erfuhr zu meinem Schrecken, daß sich die schwarzen Kommunisten der Zelle über meine geputzten Schuhe, mein sauberes Hemd und meine Krawatte aufgehalten hatten. Vor allem schien ihnen meine Art zu sprechen fremd zu sein.
„Er redet wie ein Buch", hatte einer der Negergenossen gesagt. Und das
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