Ein Gott der keiner war (German Edition)
genügte, um mich für immer als Bourgeois abzustempeln.
5
Bei meiner Parteiarbeit begegnete mir ein Kommunist, ein Neger namens Ross, der wegen „Anstiftung zum Aufruhr" angeklagt war. Ross verkörperte den Typ eines erfolgreichen Straßenagitators. Er war in den Südstaaten geboren und später nach dem Norden gezogen, und aus seinem Leben sprachen die ungeformten und hoffnungslosen Wünsche und Sehnsüchte des in die Stadt verschlagenen Bauern. Mißtrauisch, doch streitlustig, verband er in sich all die Schwächen und Vorzüge eines Menschen, der blindlings zwischen zwei Gesellschaftsschichten herumtappt, eines Menschen, der nur am Rande einer Kultur lebt. Ich hatte das Gefühl, daß ich – wenn ich nur seine Geschichte aus ihm herausbekäme – einige der Schwierigkeiten erkennbar machen könne, die sich aus der Anpassung von Menschen aus ländlichem Lebenskreis an eine städtische Umgebung ergeben; ich würd sein Leben anderen verständlicher machen, als es ihm selber war.
Ich trat an Ross heran und setzte ihm meinen Plan auseinander. Er war einverstanden und lud mich zu sich ein, um mich mit seiner jüdischen Frau, seinem kleinen Jungen und seinen Freunden bekannt zu machen. Ich unterhielt mich stundenlang mit Ross, wobei ich ihm auseinandersetzte, worauf es mir ankam, und ihn warnte, nichts zu erzählen, was er nicht veröffentlicht zu haben wünschte.
„Ich möchte herausfinden, was dich zu einem Kommunisten gemacht hat", sagte ich.
Es sprach sich in der Kommunistischen Partei herum, daß ich mir Aufzeichnungen über das Leben von Ross machte, und es begannen sich seltsame Dinge zu ereignen. Ein unauffälliger Neger kam eines Abends zu mir und rief mich hinaus auf die Straße, um ungestört mit mir sprechen zu können. Er stellte mir eine Prognose für die Zukunft, die mich erschreckte.
„Intellektuelle eignen sich nicht sonderlich für die Partei, Wright", erklärte er tiefernst.
„Aber ich bin kein Intellektueller", protestierte ich. „Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt durch Straßenfegen." Ich hatte eben gerade von der Arbeitslosenhilfe eine Beschäftigung als Straßenfeger für 13 Dollar die Woche zugewiesen bekommen.
„Das ist ganz gleich", sagte er. „Wir besitzen Aufzeichnungen über die Schwierigkeiten, die wir bisher mit Intellektuellen gehabt haben. Schätzungsweise bleiben nur 13 Prozent von ihnen bei der Partei."
„Warum gehen die andern, da du nun einmal darauf bestehst, mich als Intellektuellen zu bezeichnen?” fragte ich.
„Die meisten geben es freiwillig auf."
„Nun, zu denen gehöre ich nicht", sagte ich.
„Einige werden ausgeschlossen", gab er mir gewichtigen Tones zu verstehen.
„Weswegen?"
„Allgemeine Opposition gegen die Parteipolitik."
„Aber ich opponiere gegen nichts in der Partei."
„Du wirst deine revolutionäre Zuverlässigkeit beweisen müssen."
„Wie?"
„Die Partei hat eine Möglichkeit, die Menschen zu erproben." „Nun, rede doch schon, worin besteht diese Möglichkeit?"
„Wie reagierst du der Polizei gegenüber?"
„Ich reagiere überhaupt nicht", sagte ich. „Ich bin nie von ihr belästigt worden."
„Kennst du Evans?" erkundigte er sich; Evans, ein Neger, war ein militanter Kommunist aus der Gegend.
„Ja. Ich habe ihn gesehen; bin auch mit ihm zusammengewesen."
„Fiel dir auf, daß er verletzt war?"
„Ja. Sein Kopf war verbunden."
„Er hat seine Verletzung bei einer Demonstration von der Polizei erhalten", erklärte er. „Das ist ein Beweis revolutionärer Zuverlässigkeit."
„Meinst du damit, daß ich von der Polente eins über den Schädel kriegen muß, um zu beweisen, daß ich es ehrlich meine?" fragte ich.
„Ich mache keine Vorschläge", sagte er. „Ich erkläre nur."
„Paß mal auf. Angenommen so ein Polizist knallt mir eins über den Schädel und ich kriege eine Gehirnerschütterung. Angenommen ich bin danach nicht mehr richtig im Kopfe. Kann ich dann noch schreiben? Was wäre damit bewiesen?"
Er schüttelte den Kopf. „Die Sowjetunion hat eine ganze Menge Intellektueller erschießen müssen", sagte er.
„Großer Gott!" rief ich aus. „Weißt du, was du da sagst? Du bist nicht in Rußland. Du stehst hier auf einem Bürgersteig in Chicago. Du redest wie einer, der sich in Phantasien verliert."
„Du hast von Trotzki gehört, nicht wahr?" fragte er.
„Ja"
„Weißt du, was ihm passiert ist?"
„Er wurde aus der Sowjetunion verbannt”, sagte ich.
„Weißt du, warum?"
„Nun",
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