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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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stürzen werden. Warum sehne ich mich nach dem Kommunismus? Weil ich ihn für gerecht halte, weil ich unter den in der Welt herrschenden Ungerechtigkeiten um so intensiver leide, als ich selbst zu den Bevorzugten gehöre. Weil die Menschen unter dem System, unter dem wir leben, meines Erachtens dem ärgsten Mißbrauch ausgesetzt sind. Weil ich sehe, daß die Konservativen nur toten oder dem Tode geweihten Dingen anhängen. Weil es in meinen Augen absurd ist, sich an längst Überholtes zu klammern. Weil ich an den Fortschritt glaube, weil ich das Zukünftige dem Vergangenen vorziehe. Weshalb trage ich ein Verlangen nach dem Kommunismus? Weil ich der Überzeugung bin, daß er uns befähigt, den Gipfel der Kultur zu erreichen, weil nur der Kommunismus zu einer neuen und höheren Form der Kultur führen kann und muß.”
     
    Richtig verstandener Kommunismus, so glaubte André Gide, muß die inneren Werte des Individuums fördern und entwickeln, um aus jedem Menschen das Beste herauszuholen.
    Im Jahre 1935 sandte Gide den Kommunisten anläßlich des sowjetischen Schriftstellerkongresses eine Botschaft, in der es heißt:
     
„Auf der Heerstraße der Geschichte, auf der jedes Land, jedes Volk früher oder später seinen Weg nehmen muß, marschiert die Sowjetunion heute glorreich an der Spitze. Sie führt uns eine Gesellschaft vor Augen, von der wir immer geträumt hatten, die wir aber nicht mehr zu erhoffen wagten. Es ist nur wichtig, daß die Sowjetunion uns auf geistigem Gebiete ein gutes Beispiel gibt. Um ihrer selbst willen muß sie uns beweisen, daß das kommunistische Ideal keine Ameisenhaufenutopie ist, wie ihre Feinde mit Vorliebe behaupten. Es ist heute ihre Pflicht und Schuldigkeit, in Kunst und Literatur einem kommunistischen Individualismus den Weg zu bereiten – wenn ich mir erlauben darf, diese beiden Begriffe, die gewöhnlich, sehr zu Unrecht, als Gegensätze behandelt werden, miteinander zu verbinden. Daß es für den Übergang eine Periode geben mußte, in der die Betonung auf den Massen lag, versteht sich von selbst. Aber die Sowjetunion ist über dieses Stadium jetzt hinaus, und der Kommunismus kann nur bestehen, wenn er die besonderen Abneigungen jedes einzelnen in Rechnung stellt. Eine Gesellschaft, in der einer wie der andere wäre, kann nicht erstrebenswert sein – ich möchte sogar behaupten, daß sie nie zu erreichen wäre – und noch viel weniger wäre eine uniforme Literatur das Erstrebenswerte. Jeder Künstler ist zwangsläufig ein Individualist, auch wenn seine kommunistische Überzeugung noch so ausgeprägt und seine Bindung an die Partei noch so stark ist. Nur als Individualist kann er wirklich wertvolle Arbeit leisten und der Gesellschaft dienlich sein. Ich halte die – nur von den Unfruchtbaren empfundene – Furcht, von der Masse absorbiert zu werden, in ihr unterzugehen, für töricht und gefährlich. Der Kommunismus braucht starke Persönlichkeiten, und umgekehrt finden starke Persönlichkeiten im Kommunismus ihren Rückhalt und ihre Bestätigung."
     
    Als André Gide auf einer Pariser Versammlung der „Union pour la Vérité" im Jahre 1935 aufgefordert wurde, seine Ansichten zu verteidigen, sagte er:
     
„Für mich hat das Christentum seiner fortgesetzten Kompromisse wegen abgewirtschaftet. Ich habe in meinen Büchern der Überzeugung Ausdruck gegeben und bin auch jetzt noch des festen Glaubens, daß heute vom Kommunismus nicht die Rede wäre, ja daß es überhaupt keine sozialen Probleme gäbe, wenn das Christentum Christi Lehren wirklich befolgt hätte."
     
    In der anschließenden Diskussion über den Kommunismus fügte Gide ergänzend hinzu:
     
„Ich sehe ganz einfach deswegen keinen Widerspruch zwischen dem Standpunkt der Gemeinschaft und dem des Individualisten, weil man hier einen Gegensatz konstruiert hat, der in Wirklichkeit gar nicht besteht. Ich bin dessen ganz sicher. Nicht über Marx bin ich zum Kommunismus gekommen; ich habe mir große Mühe gegeben, mich durch seine Werke hindurchzuarbeiten; ich lasse auch jetzt noch nicht nach, aber so viel weiß ich bestimmt, daß nicht die Lehren von Marx mich für den Kommunismus gewonnen haben. Die privilegierte Stellung, die ich selber genieße, hat mich dem Kommunismus in die Arme geführt; sie erschien mir von jeher widersinnig und unerträglich. Ich hatte einmal Gelegenheit, mit einem der überlebenden Schiffbrüchigen der „Bourgogne" zu sprechen. Dieser Mann erzählte mir, er habe das Glück gehabt, in ein

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