Ein Grausames Versprechen
sagte der Detective.
»Kein Problem.«
Fünf Monate später, an einem strahlend schönen Frühsommermorgen, erklärte der Coroner Stewart Blakes Tod zu einem Mord, der von einer oder mehreren unbekannten Personen begangen wurde. Der ungelöste Fall würde irgendwo in einen Aktenschrank verbannt werden, wo ihn ein Beamter hin und wieder hervorholen und durchblättern würde, ehe man ihn, mit Datum und Unterschrift auf dem Aktendeckel versehen, wieder ins Dunkel zurückschob.
Laurens Uniform war feucht von Schweiß, als sie an den Medien vorbei aus dem Gerichtsgebäude in Glebe kam. Sie wollte die ganze Sache vergessen, wollte vergessen, wie eine Lüge zur nächsten und dann zu noch einer führte, bis man plötzlich die Bibel in der Hand hielt und schwor und dabei inständig hoffte, sich noch an alles zu erinnern, was man sofort nach Verlassen des Tatorts auf eine Papierserviette von Gilly’s gekritzelt hatte, wie man den jungen Mann beschrieben hatte, den man weglaufen sah, denn es war schwerer, sich Lügen zu merken als die Wahrheit. Sie hatte den Text am Morgen eine halbe Stunde lang einstudiert. Dann hatte sie die Notizen im Badezimmer verbrannt, die verkohlten Reste hinuntergespült und das Fenster geöffnet, damit der Rauch abzog.
Felise kam herein und zog die Nase kraus. »Toms Dad raucht auch im Bad.«
»Ich habe nicht geraucht«, sagte Lauren, griff nach der Bürste und strich über das seidenweiche Haar auf Felises schmalem Kopf. »Ich glaube, der Rauch ist von draußen gekommen. Irgendwer macht wohl ein Feuer im Garten.«
Felise wollte auf die Toilette klettern, um nachzusehen. Sie standen vor dem Fenster, Felises dünner Arm um Laurens Nacken, ihrer warmer Atem an ihrer Wange. Lauren beobachtete, wie die großen blauen Augen ihrer Nichte die Nachbarschaft absuchten. »Was siehst du?«
»Die ganze weite Welt.«
Lauren hatte sie fest gedrückt.
Wie konnte Thomas auch nur in Erwägung ziehen, ihr etwas anzutun?
Wie konnte er sie »das Kind« nennen, als wäre sie irgendein Kind und nicht der Mittelpunkt der Welt?
Lauren konnte den schmächtigen Körper beinahe in den Armen spüren, als sie nun an der Ampel stand, und Felises Gelächter über den Verkehrslärm der Parramatta Road hinweg hören.
Das Kind.
Die Ampel schaltete auf Grün, und mit neuem Selbstvertrauen überquerte Lauren die Straße.
Detective Ella Marconi blätterte weiter in dem Ausdruck und stützte den Kopf in die Hände. Auf der anderen Seite des Zimmers fummelte Detective Murray Shakespeare an der Antenne eines altertümlichen Radios herum, das er irgendwo ausgegraben hatte, und bei dem Knistern und Jaulen des schlechten Empfangs stellte es Ella die Nackenhaare auf.
Er schwenkte die Antenne in einem weiten Bogen. »Blödes Ding.«
»Brauchen wir unbedingt Musik?«
»Wenn man den ganzen Tag hier sitzt und diese Listen durchsieht, wird man ja verrückt.« Man hörte kurz einen sauberen Klang, und Murray hielt die Antenne abrupt an und tastete nach der richtigen Stellung.
Ella versuchte, sich auf die Seite vor ihr zu konzentrieren. Vor ihren Augen verschwamm alles, und die Ziffern flossen ineinander. Murray fluchte leise vor sich hin, und sie fühlte sich umzingelt und bedrängt von den hohen Stapeln von Ausdrucken auf dem Schreibtisch neben ihr. Sie hatte sich alles Mögliche vorgestellt, was ihre Aufgaben beim Morddezernat anging, aber aus einer Liste mit Tausenden von Telefonnummern drei bestimmte Nummern herauszusuchen, war seltsamerweise nicht darunter gewesen.
»… glaubt Eagers eigentlich?« Die Stimme plärrte aus dem Radio und Murray suchte nach dem Lautstärkeregler. » Was wir in diesem Land brauchen, ist null Toleranz und nicht diese zimperliche, sanfte Vorgehensweise. Demnächst werden Eagers und seine Spezis im Parlament von Queensland noch Händchen halten wollen mit den Kriminellen und ihnen seelischen Beistand anbieten, damit sie mit ihren traumatischen Erlebnissen als Drogendealer besser fertig werden.«
»Mag ja sein, dass wir akustische Untermalung brauchen, aber das bestimmt nicht«, sagte Ella. »Das Geschwafel des Family Man hat mir gerade noch gefehlt.«
Aber Murray hielt die Antenne vollkommen still.
»Diese Drogenamnestie wird der Jugend unseres Landes nichts nützen«, bellte die Stimme. » Sie bewirkt nichts weiter, als dass man ein paar große Dealer lange genug los ist, damit ehrgeizige Kleinganoven, denen man soeben Straffreiheit gewährt hat, die Rangleiter emporklettern und
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