Ein Grausames Versprechen
der kleine Bruder von dem hier.«
Lauren sah auf ihren Patienten hinunter. Seine Haut war blass, kalt und schweißnass, das braune Haar klebte ihm am Schädel. Das Blut aus der Beinwunde hatte den Schlamm ringsum getränkt und sickerte unter dem Verband auf ihren Handschuh. Sie konnte die Wärme spüren. Er trug Shorts und ein Arbeitshemd, alles voller Schlamm. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er den Oberschenkel oberhalb der Wunde umklammert und wandte den Blick nicht von dem Ausleger, wo sein Bruder lag. Er tat Lauren leid. »Wie heißen Sie?«, fragte sie.
»Charlie Addison.« Er versuchte sich aufzurichten. »Wie geht es meinem Bruder?«
»Die anderen Sanitäter kümmern sich um ihn«, sagte sie. »Wo haben Sie Schmerzen, abgesehen vom Bein? Können Sie tief Luft holen?«
Joe brachte den Monitor und die Medikamente, dann öffnete er den Erste-Hilfe-Koffer.
»Ich kann nicht sehr tief atmen, mein Rücken tut weh.« Charlie ließ sich in den Schlamm zurücksinken. »Und mir ist schwindlig.«
Lauren hob den Verband leicht an, und sie und Joe warfen einen raschen Blick auf die Wunde. Das unregelmäßig abgebrochene Ende des Oberschenkelknochens war durch die Haut gedrungen. Die Blutung hatte inzwischen so gut wie aufgehört. Muskel und Fettgewebe lagen frei und waren von Schlamm bedeckt, das Ende des Knochens schimmerte weiß durch das Blut.
»Okay, Charlie, bleiben Sie einfach ruhig liegen«, sagte Lauren. »Ich bin Lauren, und das ist Joe. Er wird sich ein wenig mit Ihrem Bein beschäftigen, während wir beide uns unterhalten und ein paar Dinge abklären.«
Joe öffnete einige Fläschchen normale Salzlösung und spritzte die Flüssigkeit in die Wunde, um den schlimmsten Dreck abzuwaschen.
»Was passiert mit meinem Bruder?«
»Sie kümmern sich um ihn. Die beiden sind hervorragende Sanitäter. Er ist in besten Händen.« Lauren wickelte eine Blutdruckmanschette um seinen Arm. »Wie heißt er?«
»Mitchell.« Er versuchte wieder hinzusehen.
»Charlie, Sie müssen bitte stillliegen.« Lauren sah zu Joe, der einen großen, angefeuchteten Verband vorsichtig um das gebrochene Ende des Knochens faltete. »Neunzig zu fünfzig. Puls hundertzwanzig.«
»Wird er wieder?« Charlie versuchte, um Joe herumzuspähen.
Einige Arbeiter trieben Schneidegeräte in das Metall des Auslegers. Einer kauerte im Schlamm und hielt Mitchells schlaffe Hand. Auf den Straßen draußen dröhnten Autos vorbei, und über ihnen schwebte der Hubschrauber eines Nachrichtensenders.
»Charlie«, sagte sie freundlich und streifte ihm eine Sauerstoffmaske übers Gesicht, »wenn Sie da drüben wären und er hier - würden Sie wollen, dass er sich um sich selbst kümmert?«
Er sah sie an. Tränen zogen saubere Linien von den Augenwinkeln zu den Ohren. »Ich habe ihm diesen Job besorgt.«
Lauren hätte gern gesagt, dass alles gut werden würde, aber Bryan schlängelte sich gerade mit einem Beatmungsbeutel unter dem zermalmten Ausleger hindurch und bemühte sich verzweifelt, Mitchell die Maske aufzusetzen.
»Was ist, wenn er stirbt?«, sagte Charlie mit erstickter Stimme.
»Sehen Sie mich an«, sagte Lauren. »Wir müssen uns um Sie kümmern, okay? Sobald Sie stabil sind, können wir Joe vielleicht hinüberschicken, damit er bei Mitchell hilft.«
Es war eine Lüge. Charlie musste operiert werden, und sie würden sich auf keinen Fall aufteilen, sondern ihn schnellstmöglich ins Krankenhaus schaffen.
»Guter Puls.« Joe hatte vorsichtig Charlies linken Stiefel ausgezogen und drückte die Finger auf die blasse Haut.
Lauren leuchtete mit einer Stablampe in Charlies Augen. Die Pupillen waren gleichförmig und reagierten. »Okay, Charlie, ich piekse Sie jetzt mit einer Nadel und flöße Ihnen ein Schmerzmittel ein und Flüssigkeiten, die das Blut ersetzen, das Sie verloren haben.«
»Ich hasse Nadeln«, sagte er, den Blick auf seinen Bruder gerichtet.
»Die hasst jeder, aber danach wird es Ihnen besser gehen. Und ich verspreche, bevor wir irgendwohin fahren, erkundige ich mich für Sie nach Mitchell, okay?«
Bald war der Zugang gelegt, und die Flüssigkeiten liefen. Lauren injizierte fünf Milligramm Morphium und erhöhte den Durchfluss. Joe stand, hielt den Infusionsbeutel und blickte über sie hinweg. Sie wandte den Kopf, um zu sehen, worauf er starrte. In der Einfahrt zur Baustelle drängten sich Schaulustige, ebenso in den Lücken des Bretterzauns. Sie sah Joe wieder an. »Was ist?«
»Du weißt ja: Unterschätze nie …«
»Obwohl
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