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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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hatte. Nachdem ich meinen Koffer abgestellt hatte, eilte ich sofort zu meinem alten Fürsten. Ich muß gestehen, daß ich ihn in diesen zwei Tagen sogar ein wenig vermißt hatte. Und außerdem mußte er über Werssilow bereits gehört haben.
    II
    Ich hatte mir gedacht, daß er sich schrecklich über mich freuen würde, und ich hätte, ich schwöre, auch ohne Werssilow ihn heute aufgesucht. Allerdings hatte mich gestern und vorgestern der Gedanke eingeschüchtert, ich könnte möglicherweise Katerina Nikolajewna in die Arme laufen. Aber jetzt fürchtete ich mich vor nichts mehr.
    Vor lauter Freude umarmte er mich.
    »Was sagen Sie zu Werssilow? Haben Sie schon gehört?« begann ich ohne Umschweife mit dem Wichtigsten.
    »Cher enfant, mein lieber Freund, das ist so erhaben, so edel, mit einem Wort, das hat sogar auf Kiljan (den Beamten unten) einen erschütternden Eindruck gemacht! Das ist unvernünftig einerseits, aber das ist Glanz, das ist eine große Tat! Das Ideal muß hochgehalten werden!«
    »Nicht wahr? Nicht wahr? Darin waren wir uns immer einig.«
    »Mein Lieber, du und ich, wir waren uns immer einig. Wo hast du gesteckt? Ich wollte dich unbedingt selbst aufsuchen, aber ich wußte nicht, wo du zu finden warst … Weil ich mich, wie auch immer, unmöglich an Werssilow … Obwohl jetzt, nach allem, was geschehen ist … Weißt du, mein Freund: Das war auch, wie mir scheint, der eigentliche Grund seiner Wirkung auf die Frauen, solche Charakterzüge, kein Zweifel …«
    »Übrigens, um es nicht zu vergessen, ich habe es mir extra für Sie gemerkt: Gestern hat ein ganz und gar unwürdiger Hanswurst mir gegenüber Werssilow beschimpft und ihn einen ›Weiberpropheten‹ genannt. Wie treffend! Der Ausdruck an sich! Ich habe ihn mir für Sie gemerkt …«
    »›Weiberprophet‹! Mais … c’est charmant ! Haha! Er paßt so auf ihn, das heißt, er paßt überhaupt nicht – pfui! … Aber er trifft genau den Nagel auf den Kopf … das heißt, er trifft überhaupt nicht, aber …«
    »Schon gut, schon gut, Sie brauchen nicht verlegen zu werden, nehmen Sie es nur als Bonmot!«
    »Ein großartiges Bonmot und, weißt du, wirklich tiefsinnig … Eine vollkommen richtige Idee! Das heißt, weißt du … mit einem Wort, ich will dir ein winziges Geheimnis verraten … Ist dir nicht damals diese Olympiada aufgefallen? Hältst du es für möglich, daß ihr das Herz Andrej Petrowitschs wegen ein wenig weh tut, so sehr jedenfalls, daß sie sogar, wie es scheint, eine Hoffnung nährt …«
    »Eine Hoffnung nährt? Von wegen!« brüllte ich und machte empört eine lange Nase.
    »Mon cher, brüll nicht so. Es ist eben so und nicht anders, und du hast sogar recht, von deinem Standpunkt aus. Übrigens, mein Freund, was war mit dir letztes Mal in Anwesenheit von Katerina Nikolajewna? Du hast geschwankt. Ich dachte schon, du würdest umfallen, und wollte schon auf dich zustürzen, um dich zu stützen.«
    »Darüber später. Ja, kurz gesagt, ich war einfach furchtbar verlegen, aus einem ganz bestimmten Grund …«
    »Du bist auch im Moment errötet.«
    »Und Sie haben nichts Eiligeres zu tun, als es breitzutreten. Sie wissen, daß sie mit Werssilow verfeindet ist … und alles in dieser Art, na ja, und da hab ich mich aufgeregt: Ach, lassen wir das für später!«
    »Lassen wir das, lassen wir das; ich bin selbst froh, wenn wir das alles lassen. Mit einem Wort, ich habe ihr gegenüber eine ungeheure Schuld auf mich geladen und hatte mich sogar, weißt du noch, damals vor dir über sie beklagt … Vergiß es, mein Freund; sie wird ihre Meinung über dich ebenfalls ändern, das ahne ich, ich bin ganz sicher … Da kommt ja Fürst Serjoscha!«
    Ins Zimmer trat ein junger und schöner Offizier. Ich musterte ihn mit nahezu gierigem Blick, ich hatte ihn noch nie gesehen. Das heißt, ich nenne ihn ›schön‹, wie ihn auch alle nannten, aber etwas war in diesem jungen und schönen Gesicht nicht anziehend. Ich erwähne das als allerersten Eindruck, der vom ersten Blick an die ganze folgende Zeit bestehenblieb. Er war schlank, wunderbar gewachsen, dunkelblond, mit frischem, wenn auch ein wenig gelblichen Gesicht und entschlossenem Blick. Seine wunderschönen dunklen Augen blickten ein wenig streng, auch wenn er ganz ruhig war. Aber sein entschlossener Blick hatte gerade deshalb etwas Abstoßendes, weil man irgendwie ahnte, daß diese Entschlossenheit ihn nicht allzu viel kostete. Übrigens fällt es mir schwer, die richtigen

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