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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Erbschaft … Diese Erbschaft – ach, vielleicht wäre es besser gewesen, sie wäre uns nie zugefallen! Aber jetzt das, was ich Ihnen ausdrücklich mitteilen wollte: Ich habe aus dieser Erbschaft Andrej Petrowitsch Minimum zwanzigtausend versprochen. Jedoch konnte, stellen Sie sich vor, wegen der Formalitäten bis jetzt nichts geschehen. Ich bin sogar … das heißt, wir sind … das heißt, mein Vater ist noch nicht einmal als rechtmäßiger Besitzer dieses Gutes bestätigt. Indessen habe ich in den letzten drei Wochen so viel Geld verspielt, und dieser Schuft Stjebelkow verlangt solche Prozente, daß … Ich habe Ihnen jetzt fast das letzte gegeben …«
    »Oh, Fürst, wenn das so ist …«
    »Das meine ich nicht, das meine ich nicht. Stjebelkow wird heute bestimmt etwas bringen, als Überbrückung wird es reichen, aber selbst der Teufel findet sich in diesem Stjebelkow nicht zurecht! Ich habe ihn angefleht, mir zehntausend zu verschaffen, damit ich Andrej Petrowitsch wenigstens zehntausend geben kann. Mein Versprechen, ihm ein Drittel der Erbschaft zukommen zu lassen, quält mich, foltert mich. Ich habe mein Wort gegeben und muß es halten. Und ich schwöre Ihnen, daß mir kein Preis zu hoch ist, um mich wenigstens in diesem Fall von meinen Verpflichtungen zu befreien. Sie lasten schwer auf mir, schwer, unerträglich! Diese erdrückende Bindung … Ich kann den Anblick von Andrej Petrowitsch nicht ertragen, weil ich ihm nicht in die Augen sehen kann … weshalb mißbraucht er das?«
    »Was ist es denn, was er mißbraucht, Fürst?« Ich blieb erstaunt vor ihm stehen. »Hat er denn je Ihnen etwas angedeutet?«
    »O nein, und ich weiß das zu schätzen, aber ich habe mir diese Andeutung selbst gemacht, und schließlich sinke ich tiefer und tiefer … dieser Stjebelkow …«
    »Aber hören Sie, Fürst, beruhigen Sie sich, ich bitte Sie; ich merke, daß Sie sich zusehends heftiger erregen, indessen ist das alles, vielleicht, nur eine Fata Morgana. Oh, ich bin ja selbst eingesunken, tief, unverzeihlich, gemein; aber ich weiß doch, daß es nur vorübergehend ist … Ich muß nur eine bestimmte Summe gewinnen, sagen Sie mir doch, ob ich Ihnen mit diesen dreihundert dann an die zweitausendfünfhundert schulde? Stimmt das?«
    »Ich glaube, ich habe von Ihnen nie etwas zurückverlangt.« Der Fürst fletschte plötzlich die Zähne.
    »Sie sagen: Zehntausend für Werssilow. Wenn ich jetzt von Ihnen etwas annehme, so geht dieses Geld natürlich auf Rechnung Werssilows und seiner zwanzigtausend; ich werde es nie anders zulassen. Aber … ich werde es Ihnen wahrscheinlich selbst erstatten können … Glauben Sie allen Ernstes, daß Werssilow Sie um dieses Geldes willen aufsucht?«
    »Mir wäre es lieber, wenn er mich um des Geldes willen aufsuchte«, antwortete der Fürst rätselhaft.
    »Sie sprechen von einer ›erdrückenden Bindung‹ … Sollten Sie damit Werssilow und mich meinen, so wäre das, bei Gott, eine Beleidigung. Und schließlich sagen Sie: ›Warum ist er selbst nicht so, wie er es predigt‹ – das ist Ihre Logik! Erstens ist es, wenn Sie mir den Widerspruch gestatten, überhaupt keine Logik, denn selbst wenn er in der Tat nicht so wäre, könnte er trotzdem eine unumstößliche Wahrheit predigen … Und schließlich, was ist das für ein Wort, ›predigen‹? Sie sagen, er sei ein Prophet. Sagen Sie doch: Waren Sie es, der ihn in Deutschland einen ›Weiberpropheten‹ genannt hat?«
    »Nein, ich nicht.«
    »Stjebelkow sagte mir, Sie wären es gewesen.«
    »Er lügt. Ich bin kein großer Meister im Erfinden von Spottnamen. Aber wenn jemand Ehre predigt, muß er selbst Ehre im Leib haben – das ist meine Logik, und wenn sie nicht richtig ist, so ist mir das ganz egal. Ich will, daß es so ist, und so wird es sein. Und niemand darf in meinem Haus über mich zu Gericht sitzen und mich für einen Säugling halten! Genug!« rief er mit einer wegwerfenden Bewegung aus, damit ich nicht weiterreden sollte. »Ah, endlich!«
    Eine Tür wurde geöffnet, und Stjebelkow erschien.
    III
    Er war immer noch derselbe, ebenso stutzerhaft gekleidet, mit ebenso stolz geschwellter Brust, mit einem ebenso dümmlichen Blick in die Augen des anderen, ebenso überzeugt, er sei ein schlauer Fuchs, und außerordentlich mit sich zufrieden. Aber diesmal sah er sich beim Eintreten eigentümlich um: Etwas auffällig Vorsichtiges und Spähendes lag in seinem Blick, als wollte er an unseren Gesichtern irgend etwas ablesen.

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