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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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in dem Kurbad mit ihnen nicht verständigen konnte?«
    »Woher soll ich das wissen? Entschuldigen Sie, aber mir fällt es schwer, Ihren Gedanken zu folgen.«
    »Schwer?«
    »Ja, Sie ermüden mich.«
    »Hm.« Er zwinkerte mir zu und machte mit der Hand eine Geste, die wahrscheinlich etwas wie Triumph und Sieg ausdrücken sollte; anschließend zog er bieder und ruhig eine offensichtlich soeben gekaufte Zeitung aus der Tasche, entfaltete sie und begann auf der letzten Seite zu lesen, wobei er mich anscheinend völlig vergaß. Etwa fünf Minuten lang würdigte er mich keines Blickes.
    »Die Bresto-Grajewschen sind also doch nicht gefallen, wie? Sie sind tatsächlich gestiegen und steigen immer noch! Ich kenne viele, die im Keller sind.«
    Er warf mir einen treuherzigen Blick zu.
    »Ich habe einstweilen noch keinen Schimmer von der Börse«, antwortete ich.
    »Dagegen?«
    »Gegen was?«
    »Gegen Geld, wenn’s beliebt.«
    »Ich bin nicht gegen Geld, aber … aber mir scheint, erst kommt die Idee und dann das Geld.«
    »Das heißt, erlauben Sie … Zum Menschen gehört, sozusagen, eigenes Kapital …«
    »Erst die höhere Idee, und dann das Geld, denn ohne höhere Idee bricht die menschliche Gesellschaft samt ihrem Geld zusammen.«
    Ich weiß nicht, warum ich mich zu ereifern begann. Er sah mich ein wenig stumpfsinnig an, als hätte er den Faden verloren, aber plötzlich verzog sich sein ganzes Gesicht zu einem breiten, belustigten und hinterhältigen Grinsen:
    »Und dieser Werssilow, wie? Der hat seine Schäfchen im trockenen! Der hat’s gestern geschafft, wie?«
    Plötzlich und unvermittelt erkannte ich, daß er schon längst wußte, wer ich war, und vielleicht sogar noch viel mehr. Ich verstehe nur nicht, weshalb mir plötzlich das Blut in den Kopf schoß und ich ihn idiotisch anstarrte, ohne den Blick abzuwenden. Er triumphierte sichtlich, er sah mich belustigt an, als hätte er mich auf die raffinierteste Weise überlistet und überführt.
    »Nein, wenn’s beliebt«, er zog die Brauen hoch, »mich muß man nach Herrn Werssilow fragen! Was habe ich vorhin über die Redlichkeit gesagt? Vor anderthalb Jahren hätte er dank diesem Kinde ein erstklassiges Geschäft machen können – jawohl, er ist gefallen wie eine Aktie, jawohl.«
    »Dank welchem Kinde?«
    »Dank dem Säugling, den er auch jetzt irgendwo heimlich großzieht, aber ein Geschäft wird er damit nicht machen können … weil …«
    »Ein Säugling? Was für ein Säugling?«
    »Selbstverständlich ist das sein Kind, sein leibliches Kind von Mademoiselle Lidija Achmakowa … ›Ein schönes Mädchen hat mich gekost …‹ Und die Phosphorhölzer – wie …?«
    »Was für ein Unsinn! Was für ein Quatsch! Er hatte niemals ein Kind von der Achmakowa!«
    »Von wegen! Und wo bin ich gewesen? Ich bin doch Doktor und Accoucheur, wenn’s beliebt. Stjebelkow ist mein Name. Noch nie gehört? Es ist wahr, ich hatte schon damals lange nicht mehr praktiziert, aber einen praktischen Rat in einer praktischen Angelegenheit konnte ich immer geben.«
    »Ein Accoucheur … haben Sie denn die Achmakowa entbunden?«
    »Nein, wenn’s beliebt. Ich habe die Achmakowa von gar nichts entbunden. Dort, in der Vorstadt, gab es einen Doktor Granz, leidgeprüft durch eine große Familie, er erhielt einen halben Taler Honorar, so steht es dort um die Ärzte, und obendrein war er völlig unbekannt, der war es, der statt meiner dabei war … Ich hatte ihn nämlich empfohlen, wegen des Dunkels der Ungewißheit. Folgen Sie mir? Ich habe nur einen praktischen Rat gegeben, auf eine Frage Werssilows, Andrej Petrowitschs, auf eine absolut diskrete Frage unter vier Augen. Aber Andrej Petrowitsch haben zwei Hasen vorgezogen.«
    Ich hörte verblüfft zu.
    »Bist du hinter zwei Hasen her, erwischst du keinen. So sagt das Volk, vielmehr das gemeine Volk. Ich aber sage anders: Ausnahmen, die sich ununterbrochen wiederholen, verwandeln sich in eine allgemeine Regel. Er war hinter einem zweiten Hasen her, das heißt, ins Russische übersetzt, einer zweiten Dame – und der Erfolg war Null. Wenn man schon einen Zipfel erwischt hat, muß man ihn festhalten. Wenn es darum geht, eine Sache zu beschleunigen, tritt er unschlüssig auf der Stelle. Werssilow ist doch der ›Weiberprophet‹ – so hat ihn der junge Fürst Sokolskij damals in meiner Gegenwart wunderschön bezeichnet. Nein, Sie müssen mich aufsuchen! Wenn Sie über Werssilow eine Menge in Erfahrung bringen wollen, müssen Sie mich

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