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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Er wurde wenigstens zweimal zu Gefängnis verurteilt und hat eine Zeit lang gesessen. Er wurde seit einiger Zeit nicht mehr in Paris oder sonst irgendwo in Frankreich gesehen. Er ist hier in London, stimmt’s? Wir glauben, es war Mas, der auf dem Friedhof versucht hat, Flora Tapley zu entführen. Die einzige Erklärung dafür, dass er wusste, wo er ihr auflauern konnte, ist, dass Sie es ihm gesagt haben: Ort, Tag und Stunde der Beerdigung. Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, Madame, dass wir Sie wegen Beihilfe, wenn nicht sogar Anstiftung zur Entführung anklagen werden.«
    Das war eine riskant hingeworfene Bemerkung von mir. Es bestand die Möglichkeit, dass wir eine Anklage vor Gericht durchbrachten, aber ohne Mas in den Händen würde es schwierig werden.
    »Ich weiß nicht, wer dieser Mann auf dem Friedhof war …«, fing sie an.
    »Bitte, Madame!«, unterbrach ich sie freundlich. »Sie waren eben so freundlich festzustellen, dass ich kein Idiot bin, also bitte ich Sie, fangen Sie jetzt nicht an, mich wie einen Idioten zu behandeln. Ich für meinen Teil halte sie für eine intelligente Frau. Ihnen muss doch klar sein, dass Sie sich nicht auf diesen Mas verlassen können. Wir werden ihn fassen, glauben Sie mir. Er flüchtet im Moment wie ein gejagter Fuchs, aber wir werden ihn stellen. Die französische Polizei sucht ab sofort ebenfalls nach ihm. Sollte er auf die Idee kommen, nach Frankreich zurückzukehren, wird man ihn dort verhaften. Er wird versuchen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, Madame. Ich kenne diese Sorte. Er interessiert sich nur für seine eigene Haut. Er kennt keine Freundschaft und keine Loyalität.«
    Sie sagte nichts, doch sie beobachtete mich misstrauisch. In mir flackerte ein winziger Hoffnungsschimmer auf, dass ich sie dazu bringen konnte zu verhandeln. Sie würde tun, was sie nach ihren eigenen Worten immer getan hatte: Alles, was notwendig war, und das schloss den Verrat an Mas mit ein, aber nur, wenn ich vorsichtig zu Werke ging.
    »Madame«, begann ich von Neuem. »Fangen wir noch einmal von vorn an. Ich erzähle Ihnen, wie sich – meiner Meinung nach – alles zugetragen hat. Und Sie sagen mir dann, ob ich richtigliege. Ist das akzeptabel für Sie?«
    »Ich kann Sie nicht daran hindern«, antwortete sie kalt.
    »Thomas Tapley war ein Engländer, der viele Jahre in Frankreich gelebt hatte. Persönliche Umstände verhinderten, dass er in seine Heimat zurückkehrte. Er wurde älter und älter und fing an, das Fehlen seiner Heimatbasis zu bedauern. Sie auf der anderen Seite sind die Besitzerin einer Herberge in einem Vorort von Paris. Eines Tages spazierte Tapley in eben diese Herberge.
    Er wirkte arg heruntergekommen, doch er war ein Gentleman, so viel konnten Sie gleich erkennen. Er mietete sich bei Ihnen ein. Ihnen wurde schon bald klar – weil Sie eine scharfe Beobachtungsgabe haben –, dass dieser ›arme‹ Engländer in seinen schäbigen Sachen möglicherweise nicht ganz so mittellos war, wie es anfangs schien. Er zahlte seine Miete regelmäßig und pünktlich. Er erhielt von irgendwo Geld. Vielleicht war ihm nicht bewusst, wie gut Sie seine Sprache nicht nur sprechen, sondern auch lesen und schreiben. Eines Tages, während er außer Haus war, betraten Sie sein Zimmer und verschafften sich Zugang zu seinen persönlichen Unterlagen. Er stand mit einer Bank in England in Korrespondenz und mit einer Anwaltsfirma. In den Briefen steht etwas von Besitztümern …«
    Sie hatte keinen Versuch unternommen, mich zu unterbrechen, und beobachtete mich die ganze Zeit aufmerksam. Ich bin auf der richtigen Spur!, dachte ich nur.
    »Sie erzählten Ihrem guten Freund Hector Mas von Ihrem neuen Mieter. Mas kann einen fetten Braten gegen den Wind riechen. Er war sehr interessiert. Ich weiß nicht, wessen Idee es war, aber Sie sollten Tapley dazu bringen, Sie zu heiraten. Um sich, so die Argumentation, auf diese Weise auf seine alten Tage ein komfortables Heim zu sichern. Vielleicht Ihre, weil Sie in der Vergangenheit wenigstens einmal bei einem Beschützer gelebt haben. Sie sind nicht mehr jung genug, verzeihen Sie meine Offenheit, um sich einen Beschützer zu suchen. Möglicherweise jedoch ist die Situation diesmal umgekehrt. Möglicherweise können Sie sich Tapley als eine Art Beschützerin präsentieren, als eine Frau, die für ihn sorgen wird und in der Position ist, ihm ein komfortables Heim zu bieten. Wie dem auch sei, es kommt zur Eheschließung.
    Zuerst läuft alles nach Plan,

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