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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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ausnahmslos erfreulich gewesen - ein prachtvolles Haus, wenn man etwas daraus machte, ein idyllisches Dorf und zwei der schönsten Frauen, die ihm seit Monaten begegnet waren. Und wichtiger noch, er hatte das Gefühl, dass er sich hier unten in der Provence niederlassen und dem Lebensrhythmus anpassen könnte. Ein weiterer weiser Rat für die junge Generation kam ihm in den Sinn, von Onkel Henry vor langer Zeit geäußert und mit Gold nicht aufzuwiegen: Nirgendwo sonst auf der Welt hat man die Möglichkeit, sich mit so wenig Arbeit zu beschäftigen und dabei so viel Vergnügen zu empfinden. Eines Tages wirst du verstehen, was ich meine.
    Er zahlte und gab ein viel zu großes Trinkgeld. Im Restaurant herrschte immer noch Hochbetrieb, aber Fanny fand die Zeit, an seinen Tisch zu kommen und ihn mit einem Gutenachtkuss auf beide Wangen zu verabschieden.
    »A bientôt?«, sagte sie.
    Max nickte lächelnd. »Und ob. Es gibt nichts, was mich fern halten könnte.«

 
FÜNF
     
    Gottes ureigener Wecker, die Sonne, schien durch das Schlafzimmerfenster herein und riss Max aus dem besten Nachtschlaf seit Jahren, auch wenn sich dieser nicht sofort eingestellt hatte. In London war er vom fernen Verkehr in den Schlummer gewiegt worden. Noch in finsterster Nacht hatte man einen Abglanz der Großstadtlichter am Himmel sehen können. Auf dem Land herrschte vollkommene Stille, und die Dunkelheit war undurchdringlich. Es würde noch einige Zeit dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte. Nun öffnete er die Augen, schlaftrunken und unsicher, wo er sich befand, und sein Blick fiel auf die mit Putz und Holzbalken versehene Decke. Drei Tauben führten eine endlose Unterhaltung auf dem Fensterbrett. Die Luft war bereits warm. Als er einen Blick auf die Uhr warf, konnte er kaum glauben, dass er so lange geschlafen hatte. Er beschloss, seinen ersten Morgen in der Provence mit einem Lauf in der Sonne zu feiern.
    Obwohl den Bewohnern von St. Pons viele neumodische, ausländische Sitten und Gebräuche wie das Tennisspielen inzwischen vertraut waren, reichte der Anblick eines Joggers noch aus, um einen Hauch von Interesse bei den Männern aufflackern zu lassen, die ihr Leben auf den Weinfeldern verbrachten. Eine kleine Schar, die gerade die wuchernden Triebe mit der Handrebschere entfernte, hielt inne und sah zu, wie Max vorbeilief. Für sie waren derartige Leibesübungen in der Hitze des mittleren Vormittags eine unverständliche Form der Selbstkasteiung. Sie schüttelten die Köpfe, krümmten den Rücken und wandten sich wieder den Weinreben zu.
    Max kam es so vor, als fiele ihm das Laufen hier leichter als im Hyde Park; vermutlich, dachte er, weil er frische Landluft einatmete statt der Abgase aus einer Million Auspuffrohren. Er machte längere Schritte, spürte, wie ihm der Schweiß über die Brust rann, und wich auf den Straßenrand aus, um einem Wagen Platz zu machen, der sich von hinten näherte.
    Der Wagen wurde langsamer, fuhr im Schritttempo neben ihm her. Bei einem raschen Seitenblick erspähte er Fannys Lockenkopf und ein strahlendes Lächeln. Sie überholte ihn, dann hielt sie an und stieß die Beifahrertür auf.
    »Mais vous êtes fous«, rief sie und unterzog seine Beine einer Musterung, die offenbar zufrieden stellend ausfiel. »Steigen Sie ein. Ich nehme Sie ins Dorf mit. Sie sehen aus, als könnten Sie dringend ein Bier gebrauchen.«
    Max bedankte sich und schüttelte den Kopf, wenn auch widerstrebend. »Das ist meine Art, den teuflischen Calvados auszutreiben. Sie wissen ja, wie die Engländer sind. Wir leiden gern.«
    Fanny sann einen Moment über diese nationale Eigenart nach, dann brauste sie mit einem Achselzucken davon, beobachtete im Rückspiegel, wie die laufende Gestalt immer kleiner wurde. Eine sonderbare Spezies, diese englischen Männer; fühlten sich unbehaglich in Gesellschaft von Frauen, die meisten jedenfalls. Kein Wunder, wenn man sich vor Augen hielt, wie sie aufwuchsen. Man hatte ihr einmal das System der public schools erklärt - nur Jungen, kalt duschen und kein weibliches Wesen in Sicht. Ein niederschmetternder Start ins Leben. Sie fragte sich, ob Max auf Dauer im Hause seines Onkels bleiben würde. Hoffentlich. Die Auswahl an ungebundenen jungen Männern in St. Pons war äußerst beschränkt.
    Nach der dritten Meile begann Max zu bedauern, dass er ihr Angebot ausgeschlagen hatte. Die Sonne schien sich auf seinem Scheitel zu fokussieren, und kein Lüftchen regte sich, um die Hitze erträglicher zu machen.

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