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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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entsprechende kulinarische Köstlichkeiten aus dem Hut zauberte; und Fanny, die als Chefin für das Ambiente zuständig war, jene schwer greifbare, immaterielle, für den dauerhaften Erfolg jedes Etablissements unabdingbare Komponente.
    Es heißt, von der Atmosphäre allein werde man nicht satt, was stimmt, und dass die Kochkunst alles sei, was zählt, was nicht stimmt. Essen ist Balsam für die Seele oder sollte es zumindest sein, und von Balsam kann keine Rede sein, wenn man in einer kalten, unpersönlichen Umgebung speisen muss, eine unumstößliche Tatsache, die Fanny vollauf verstanden hatte. Sie gab ihren Gästen - allen, nicht nur den männlichen - das Gefühl, ihr ganz besonders ans Herz gewachsen zu sein. Sie küsste sie beim Kommen und Gehen. Lachte über ihre Scherze. Und sie war unfähig, eine Unterhaltung ohne Körperkontakt zu fuhren - eine leichte Berührung am Arm, ein Drücken der Schulter, ein Tätscheln der Wange. Sie sah alles, vergaß nichts und schien jedermann die gleiche Vorzugsbehandlung angedeihen zu lassen.
    Natürlich hatte sie erfahren, dass der neue Besitzer des großen Hauses eingetroffen war. Jeder in St. Pons, der Ohren besaß, hatte die Neuigkeit gehört, entweder vom offiziellen Informationsdienst des Dorfes, der Frau des Metzgers, oder von den weisen alten Männern im Café. Sie sah zu, wie Max den Platz überquerte und auf das Restaurant zusteuerte. Sie drehte sich um, musterte sich rasch im Spiegel und rückte kaum merklich Haare und décolleté zurecht, um beides noch vorteilhafter zur Geltung zu bringen, bevor sie vor die Tür trat.
    Max hatte die gerahmte Speisekarte studiert, die an den Stamm einer Platane genagelt war.
    »Bonsoir, Monsieur.«
    Max sah hoch. »Hallo, oh pardon. Bonsoir, Madame.«
    »Mademoiselle.«
    »Natürlich. Verzeihung.« Einen Moment lang sahen sich die beiden an, schweigend, lächelnd. Ein aufmerksamer Beobachter hätte daraus geschlossen, dass beiden der Anblick gefiel. »Bin ich zu früh?«
    Nein, Monsieur war nicht zu früh. Er war lediglich vor der Stoßzeit gekommen. Fanny wies ihm einen Tisch auf der kleinen Terrasse zu, brachte ihm ein Glas Wein und ein Schälchen mit glänzenden schwarzen Oliven, und ließ ihn mit der Speisekarte allein. Sie war kurz, aber angefüllt mit Gerichten der Art, wie Max sie liebte: frittierte Zucchini, Gemüseterrine oder pâté als Vorspeise; bavette aux échalottes, gebratener Kabeljau oder brochette de poulet als Hauptgang; und verschiedene Käsesorten oder tarte aux pommes und crème brulée als Dessert, zwei Klassiker, die altbewährt waren. Hausmannskost, die Gäste statt Michelin-Sterne anzog.
    Max traf seine Wahl und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, in einer Mischung aus Zufriedenheit und gespannter Erwartung, während er beobachtete, wie Fanny eine Vierergruppe begrüßte, die soeben das Restaurant betreten hatte. Irgendwo in ihrer Familie muss es einen Tropfen nordafrikanisches Blut gegeben haben, dachte er. Das würde ihre kaffeebraune Haut, die schwarz gelockte Mähne und ihre dunklen Augen erklären. Sie trug ein ärmelloses eng anliegendes Oberteil, das die schlanke Säule ihres Halses und die Rundungen eines kecken Vorbaus betonte. Max fragte sich, ob die Beine wohl genauso lang und gut geformt waren wie der Rest.
    Sie ertappte ihn dabei, wie er sie betrachtete, und kam lächelnd an seinen Tisch. »Alors, vous avez choisi ?« Sie nahm ihm gegenüber Platz, Block und Stift gezückt, und beugte sich vor, um seine Bestellung aufzunehmen.
    Mit einiger Mühe gelang es Max, die Augen auf die Speisekarte zu heften, um ihre natürliche Neigung zum Streunen zu unterbinden; er bestellte Zucchini, Steak und eine Karaffe Rotwein.
    Fanny notierte die Bestellung. »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
    Max sah sie einen Moment lang mit gerunzelter Stirn an, sprachlos, während seine Phantasie Amok lief.
    »Pommes frites? Gratin? Salade?«
    Später, als ein Calvados und eine zweite Tasse Kaffee vor ihm standen, ließ Max den ersten Tag seines neuen Lebens Revue passieren. Mit dem Optimismus, der von einem guten Abendessen und der wohligen Wärme des Abendwindes beflügelt wurde, gelangte er nun zu der Erkenntnis, dass seine anfängliche Enttäuschung über den Wein läppisch war. Dieses Problem würde sich laut Charlie ohne weiteres beheben lassen; was Roussel betraf, würde vermutlich einiges an diplomatischem Geschick und eine sanfte Hand erforderlich sein. Doch die anderen Entdeckungen des Tages waren

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