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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Geschirrschrank und musterte sie argwöhnisch, bevor sie das Geschirr im Spülstein unter fließendem Wasser abwusch. Kopfschüttelnd und mit der Zunge schnalzend wischte sie den Staub vom Tisch und befahl Max, sich hinzusetzen.
    Das Frühstück wurde serviert, eine Neuerung, die Max sehr erfreulich fand. Und während er seine Croissants aß und seinen Kaffee trank, setzte Madame Passepartout ihr Geschnatter fort, ohne Luft zu holen. Sie werde alles für ihn besorgen, versprach sie, angefangen von der Lavendelessenz (ein hundertprozentiger Schutz gegen Skorpione) bis hin zu Möbelpolitur und Toilettenpapier - Monsieur ziehe doch gewiss das raffinierte weiße dem gewöhnlichen rosafarbenen vor -, und während sie pausenlos redete, rüstete sie sich mit Waffen für den Angriff auf den Küchenherd, der nach ihrer fachkundigen Ansicht seit dem Sturm auf die Bastille nicht mehr gereinigt worden war.
    »Bon«, erklärte sie schließlich und zog ein Paar Gummihandschuhe an, die zu ihren Leggings passten. »Bis zum Mittagessen werden Sie den Unterschied erkennen. Jetzt aber raus hier. Ich kann schließlich nicht um Sie herumputzen. Allez!«
    Max, der sich vorkam wie früher in der Schule unter der Fuchtel einer wohlmeinenden, aber gestrengen Hausmutter, gehorchte bereitwillig. Sein Instinkt sagte ihm, dass diese Frau sich durchaus noch als wahrer Schatz erweisen könnte, sofern es ihm nur gelänge, ihre Lautstärke zu drosseln.
    Wegen Roussels Besuch am Vorabend hatte er den geplanten Rundgang über das Anwesen aufgeschoben. Nun wollte Max, wie jeder frisch gebackene Landbesitzer, seine Latifundien erkunden, und der Ausschluss aus der Küche gab ihm den nötigen Antrieb. In dem Dossier, das er von Maître Auzet erhalten hatte, befand sich auch ein plan cadastral, eine Gemarkungskarte, in dem jede einzelne, akribisch mit Nummern versehene Parzelle verzeichnet war, insgesamt zwanzig Hektar, die das Haus umgaben. Er nahm die Karte mit, trat ins Freie und blieb einen Moment im Hof stehen, hörte den Heuschrecken und dem Gurren der Tauben zu, während sich die Hitze des Tages wie eine Decke über ihn herabsenkte.
    Zum ersten Mal war weit und breit keine Spur von Roussel und seinem Traktor zu sehen, und die Rebstöcke - seine Rebstöcke, wie er sich mit einem plötzlichen Anflug von Aufregung ins Gedächtnis rief - erstreckten sich in sämtliche Himmelsrichtungen, wie ein grenzenloses grünes Meer. Hinter dem Haus führte eine Allee aus Zypressen, unbeschnitten und zottig, zu einem Tennisplatz. In seiner Kindheit war ihm dieser unendlich groß vorgekommen, und das Netz unendlich hoch. Nun war er zu einem holperigen Fleckchen Erde zusammengeschrumpft, das Netz hing traurig an den Pfosten, und die Kreidelinien auf dem kahlen Spielfeld waren beinahe bis zur Unkenntlichkeit verblasst.
    Er setzte seinen Weg zu den Rebstöcken fort, wobei seine Füße Staubwolken aufwirbelten. Die Erde war karg und trocken, mit einem Netz von Rissen und Spalten durchzogen, doch die Rebstöcke machten einen durchaus gesunden Eindruck, und die noch blassen Trauben begannen sich zu bündeln. Er bückte sich, pflückte ein paar und kostete: bitter und voller Kerne. Es würde noch Wochen dauern, bis sie saftig und prall von der Sonne waren, und vermutlich Jahre, bis sie einen genießbaren Wein abgaben. Zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass ein Winzer viel Geduld brauchte; Geduld und Glück mit dem Wetter. Und einen Önologen. Er fragte sich, ob Nathalie Auzet Glück gehabt und bereits einen gefunden hatte.
    Inzwischen hatte er sich mehrere hundert Meter vom Haus entfernt und war auf eine niedrige Steinmauer gestoßen, die eine einzelne Parzelle von den übrigen trennte. Er sah auf der Karte nach und stellte fest, dass dieses Stück Land jenseits der Mauer noch zu seinem Anwesen gehörte und die Grenze bildete. Im Gegensatz zu den anderen hatte es eine Hanglage und fiel sanft nach Osten ab, bevor es an der Straße endete.
    Max sprang mit einem Satz über die Mauer und fand hier einen Boden von ganz anderer Qualität vor. Sand und Ton waren einem steinigen Boden gewichen, der nur aus zerklüftetem Kalkstein zu bestehen schien, blendend weiß in der Sonne, warm unter der Berührung, ein natürliches Heizmittel. Hier würde vermutlich nicht einmal das genügsamste Unkraut den nötigen Nährboden zum Wachsen finden. Und dennoch wirkten die Rebstöcke gesund, die Blätter waren leuchtend grün, die winzigen Trauben reiften ohne Makel heran. Er machte sich in

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