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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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hat natürlich darunter gelitten.« Er blickte in sein Glas, schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht hexen. Ich kann kein Omelett zubereiten, wenn ich keine Eier habe.«
    Max war gelinde überrascht, dass plötzlich ein Omelett im Weingarten heraufbeschworen wurde, und brachte die Unterhaltung wieder auf das Thema Trauben zurück. »Nun, es wird Sie sicher freuen zu hören, dass ich einen Experten bitten werde, sich die Weinstöcke, die Trauben und alles andere einmal anzuschauen. Einen oenologue.«
    Roussels Kopf, in die Betrachtung des Glases vertieft, schnellte hoch. »Wozu denn das?«
    Max vollführte mit beiden Händen Beschwichtigungsgesten. »Das soll keine Kritik an Ihrer Arbeit sein, damit wir uns richtig verstehen. Sie haben getan, was Sie können. Aber wenn uns ein Fachmann Verbesserungsvorschläge macht, kann ich eher das nötige Geld auftreiben, um sie auch durchzuführen. Dann erzeugen wir einen veredelten, qualitativ besseren Wein, was uns beiden zugute käme. Macht doch Sinn, finden Sie nicht?«
    Roussels Miene ließ darauf schließen, dass er alles andere als überzeugt war. Er griff nach der Flasche Marc.
    »Ich habe bereits mit Maître Auzet darüber gesprochen. Sie findet die Idee großartig«, fuhr Max fort. »Sie hat versprochen, sich umzuhören. Sie hat Freunde in der Weinbranche.«
    Der Vorschlag schien Roussels Billigung zu finden. Ein kräftiger Schluck Marc de Provence gelangte ans Ziel, und er grunzte wie ein Boxer, der einen Fausthieb in den Magen einstecken muss. »Vielleicht ist das wirklich keine schlechte Idee. Sie haben mich überrascht, c'est tout.« Er blickte Max an; sein Gesicht hatte die Farbe von altem Ocker, mit einem Streifen Weiß über dem Teil der Stirn, der normalerweise unter seiner Kappe verborgen war. »Sie wollen die Weinfelder also behalten. Das ist gut. Können Sie kochen?«
    Max schüttelte den Kopf. »Eier mit Speck, das typisch englische Frühstück. Das war's auch schon.«
    »Sie müssen nächste Woche zum Essen zu uns kommen. Meine Frau macht ein Wildschwein- civet - ein Schmorgericht, wie es sich gehört, mit Blut und Rotwein zubereitet. Nicht mit englischem Essen zu vergleichen.« Er feixte, als er seine Kappe wieder aufsetzte. »Kennen Sie den? Die Engländer machen ihrem Wild zwei Mal den Garaus: zum einen, wenn Sie es schießen, und zum anderen, wenn sie es zubereiten. Drôle, n'est-ce pas?«
    »Sehr komisch«, sagte Max. »Fast so witzig wie der gut betuchte Schneider.«
    Das gab Roussel den Rest, und seine Schultern bebten immer noch vor Lachen, als Max ihn hinaus begleitete. Beide Männer trennten sich mit dem Gefühl, dass ihre Beziehung unverhofft erquicklich begonnen hatte.
    Der Verwalter wartete, bis er sich in sicherer Entfernung vom Haus befand, bevor er sein Handy hervorholte. »Er sagt, dass er einen oenologue hinzuziehen will, jemanden, den Sie für ihn suchen. Stimmt das?«
    Nathalie Auzet blickte auf ihre Uhr, hämmerte ungeduldig mit den Fingern auf den Schreibtisch. Da wollte man mal ein einziges Mal zeitig Feierabend machen, und schon kam einem Roussel in die Quere, der jetzt plötzlich Fracksausen bekam. »Ja, das ist richtig. Aber zerbrechen Sie sich deswegen nicht den Kopf. Ihnen kann wenig passieren. Er wird Sie nicht rausschmeißen.«
    »Ich weiß nicht. Glauben Sie...«
    Sie unterbrach ihn. »Roussel, vertrauen Sie mir. Ich werde jemanden finden, der Ihnen wohl gesonnen ist.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Meine ich. Ich muss los.«
    Das Gespräch war beendet. Roussel sah das Telefon an, und seine Stirn legte sich in Falten. Hoffentlich wusste sie, was sie tat.
     
    Max spülte die marc-G läser aus; der harsche, höllische Geruch erinnerte ihn an den harschen, höllischen Geschmack. Ein ganzer Abend mit diesem Gesöff, und man hätte vermutlich einen Hirnschaden. Er dachte kurz daran, die Flasche in den Ausguss zu kippen, doch dann beschloss er, sie zu behalten, Roussels wegen. Er würde gewiss wiederkommen. Der Verwalter schien ganz in Ordnung zu sein, zum Glück. In der Großstadt waren die Nachbarn Unbekannte, mit denen man gelegentlich im gleichen Aufzug fuhr. Auf dem Lande konnten sie jeden Tag des Lebens beeinflussen, und es war wichtig, auf freundschaftlichem Fuß mit ihnen zu stehen.
    Er dachte an Madame Passepartout, die morgen früh kommen würde, und er schritt sämtliche Zimmer ab, um zu entscheiden, wo sie mit dem Großreinemachen anfangen sollte. Oder war sie, was die Hausarbeit betraf, genauso empfindlich wie Roussel mit

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