Ein guter Jahrgang-iO
ungewohnten Anstrengung, was ihn gleichwohl mit Befriedigung erfüllte. Er schenkte sich ein Glas Wein ein und setzte sich auf den Rand des bassin, beobachtete, wie die Sonne langsam im Westen unterging, am Horizont versank und ein geradezu unheimliches, rosa- und lavendelfarbenes Freudenfeuer am Himmel entfachte.
Zu müde, um auch nur an Essen zu denken, nahm er ein langes heißes Bad, bevor er beinahe umgehend in Morpheus' Arme sank.
ACHT
Die Atmosphäre am Sonntagmorgen unterschied sich sehr von der der Wochentage; es war noch stiller als sonst, so dass Max bei seinem Lauf keiner Menschenseele begegnete. Es waren keine Autos auf den Straßen, keine Traktoren am Horizont und keine Gestalten in den Weinfeldern: Das Leben schien stillzustehen, in Sonnenlicht gebadet, wohin er auch schaute. Und heute bestand auch keine Gefahr, dass der Friede durch eine häusliche Symphonie, dirigiert von Madame Passepartout, gestört werden könnte.
Er öffnete die Küchenfenster, womit er eine entrüstete Taube von ihrem angestammten Platz vertrieb. In der Ferne rief das Läuten der Kirchturmglocken die Dorfbewohner zur Messe, ein kurzes Intermezzo, das dem Seelenheil diente, bevor man sich den fleischlichen Genüssen des Sonntagsmahls hingab. Er erinnerte sich, einen Artikel gelesen zu haben, in dem behauptet wurde, dass die Katholiken besser und reichlicher aßen als die Protestanten, weil sie die Sünde der Völlerei beichten und sich somit von jeder Schuld reinwaschen konnten. Als Max in den Kühlschrank sah, entdeckte er wenig, was ihn in Versuchung geführt hätte, und musste sich, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb, mit einer Schale café crème begnügen.
Die Küche roch nach Wachspolitur und Lavendelessenz.
Madame Passepartout hatte der Platte des alten Holztisches wieder einen gesunden Glanz verliehen und eine Schale mit dunkelrosa Rosen von dem Strauch im Hof in die Mitte gestellt. Nächste Woche müssen wir uns über ihren Lohn unterhalten, dachte Max. Was immer sie auch verlangte, sie war ihr Geld wert, und wenn auch nur wegen des Vergnügens, jeden Morgen in einer auf Hochglanz gebrachten, duftenden Küche Kaffee zu trinken.
Max selbst war ebenfalls auf Hochglanz gebracht und für seinen Ausflug mit Nathalie Auzet gewappnet. Er hatte sich sorgfältiger als sonst rasiert und trug dunkelblaue Baumwollhosen zu einem alten, aber immer noch ansehnlichen Seidenhemd, ein Weihnachtsgeschenk von einer Freundin, die längst der Vergangenheit angehörte. Auf dem Weg zur Haustür erspähte er sein Erscheinungsbild im Dielenspiegel und stellte fest, dass seine Londoner Blässe einer beginnenden Sonnenbräune Platz gemacht hatte - die noch auf Gesicht und Unterarme beschränkt war, aber immerhin ein Anfang. Er deponierte den Schlüssel unter dem Pflanzkübel mit den Geranien und fuhr pfeifend los.
Nathalies Haus war der Wunschtraum jedes Pendlers, in derselben Straße gelegen wie ihre Kanzlei, nur zwei Türen weiter. Ein glänzendes schwarzes Cabrio mit offenem Verdeck stand davor, und die Haustür war offen. Auch wenn sich die Schauergeschichten über die steigende Verbrechensquote bei der Sensationspresse noch so großer Beliebtheit erfreuten, auf St. Pons trafen die Statistiken offenbar nicht zu.
Max hob den schweren Bronzeklopfer und betätigte ihn zwei Mal, zögernd.
»Oui?« Die Stimme kam aus dem Obergeschoss des Hauses, übertönte das Summen eines Föhns.
»Nathalie, ich bin's. Max.«
»Kommen Sie immer zu früh?«
»Ich habe meiner Mutter versprochen, bei einer Verabredung mit notaires niemals zu spät zu erscheinen, vor allem, wenn sie ein schnelles Cabrio fahren.«
Der Föhn verstummte. »Kommen Sie rein. In einer Minute bin ich unten.«
Max durchquerte eine winzige Diele und betrat einen L-förmigen Raum, dessen Wohnzimmerbereich durch einen alten Frühstückstresen mit einer Zinkplatte von der Küche abgetrennt war. Ein Ledersofa mit einem Seidenschal über der Rückenlehne und zwei Clubsessel waren um einen niedrigen Couchtisch voller Bücher angeordnet, und ein kostbarer Orientteppich, dessen Farben mit dem Alter einen warmen Schimmer angenommen hatten, lag auf dem Fliesenboden. Ein großer provenzalischer Spiegel aus dem neunzehnten Jahrhundert in einem massiven Rahmen aus vergoldetem Gips hing über dem offenen Kamin, spiegelte eine Vase mit Lilien auf dem Sims wider. Eine Lartigue-Fotogalerie - alle Aufnahmen signiert, wie Max bemerkte - schmückte eine ganze Wand. Alles zeugte von
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