Ein guter Jahrgang-iO
nötigte den Rest der Schlange zum Rückstau. Prompt setzte ein Hupkonzert ein, das sich rasch zu einem wutentbrannten Crescendo steigerte. Nathalie ignorierte den Lärm und ließ sich beim Einparken Zeit. Den Wagen hinter ihr winkte sie mit einer Geste weiter, die mit einem Hochschnellen mehrerer Finger endete, was sonst einer Beleidigung gleichgekommen wäre. Der Fahrer gab Gas und brauste davon, die Geste mit der gleichen Inbrunst erwidernd.
Max stieg aus und reckte sich. »Geht es hier sonntags immer so zu?«
Nathalie nickte. »Im Winter ist es ein wenig ruhiger, aber nicht viel. Wenn es ums Einkaufen geht, gibt es keine Saure-Gurken-Zeit.«
Sie hielten auf die Reihe der Marktstände zu, wo die brocanteurs die Relikte der Woche ausgestellt hatten, Ladenhüter ohne Preisschild - altes Leinen, irdenes Geschirr, eingekerbte oder eingerissene Plakate, Aschenbecher, Stühle auf drei Beinen, Amateur-Cézannes, der Inhalt von einigen hundert Haushalten, die längst der Vergangenheit angehörten. »Diese Straßenseite ist hauptsächlich für die Touristen«, erklärte Nathalie. »Für die Souvenirjäger. Vis-à-vis sehen Sie einen Teil der ernsthaften Händler. Der Rest befindet sich ein Stück weiter, im alten Bahnhof. Dort fangen wir an.« Sie ergriff seinen Arm und lotste Max auf eine schmale Fußgängerbrücke, die über den Fluss führte. »Aber zuerst brauche ich einen Kaffee. Ohne Kaffee werde ich zu einer übellaunigen salopée.« Max zuckte förmlich zusammen. Den Begriff einer Schlampe hätte er nie mit Maître Auzet assoziiert.
Am anderen Flussufer breiteten sich weitere Marktstände aus, beladen mit Käse und Blumen, Olivenöl und Kräutern, billigen Kleidern und robusten rosafarbenen Büstenhaltern und Korsetts, die offenbar nur auf französischen Provinzmärkten feilgeboten werden. Max schwieg und sammelte Eindrücke - die Farben, die Gerüche, das gutmütige Rempeln der Menschenmenge -, während er den leichten Druck von Nathalies führender Hand genoss.
Sie fanden einen Tisch in einem Café mit Blick auf den Fluss und bestellten zwei grandes crèmes. Nathalie umklammerte die Schale mit beiden Händen, nahm einen langen gierigen Schluck Milchkaffee und lehnte sich mit einem wohligen Seufzer zurück. »Alors«, sagte sie. »Bevor wir uns ins Gewühl stürzen.« Sie begann, ihre Handtasche zu durchwühlen. »Das Mittagessen.«
Max sah sie verdutzt an. Er hatte sie nicht für eine Frau gehalten, die belegte Brote einpackt. Aber wie sein Onkel Henry zu sagen pflegte: Bei den Franzmännern kann man nie wissen; sie sind Sklaven ihrer Bäuche.
Nathalie blickte hoch und gewahrte seine fragende Miene, als sie ihr Handy aus der Handtasche nahm. »Was ist?«
Max schüttelte den Kopf. »Nichts. Mir fiel gerade etwas ein, was mein Onkel Henry über die Franzosen und das Essen sagte. Ich dachte einen Moment, Sie hätten alles für ein Picknick dabei. Sie wissen schon, das Mittagessen.«
Nathalies Augenbrauen schnellten in die Höhe angesichts einer solch abwegigen Idee, und sie schnalzte mit der Zunge. »Sehe ich wie eine bonne maman aus?«
Er musterte sie lange und eindringlich. Es war schwer, sie sich als Heimchen am Herd vorzustellen. »Nein, vermutlich nicht. Dazu fehlt Ihnen die Statur. Und eine Schürze würde nicht zur Handtasche passen. Sagen Sie, kannten Sie ihn eigentlich? Meinen Onkel?«
»Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet. In meinen Augen ein typischer Engländer.«
»Ist das gut oder schlecht?«
Nathalie zuckte mit den Schultern und lächelte. »Kommt auf den Mann an.« Sie überlieI5 es Max, darüber nachzusinnen, während sie verschiedene Telefonnummern abspulte, eine auswählte und den Hörer ans Ohr hielt. »Jacques? C'est Nathalie. Bien, et toi?« Sie lachte über die Antwort. »Oui, deux. Dans le jardin. A tout à l'heure.«
Sie tranken ihren Kaffee aus, und Nathalie sah auf ihre Uhr. »Wir haben noch reichlich Zeit bis zum Mittagessen. Was möchten Sie sich zuerst anschauen? Die teuren oder die sündhaft teuren Händler?« Sie schlang die Tasche über ihre Schulter und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge, mit schwingenden Haaren und Hüften. Bei diesem Anblick verging Max jeder Gedanke an antike Möbel.
Nachdem sie annähernd zwei Stunden damit verbracht hatten, Kommoden, Kleiderschränke, Himmelbetten, Marmorbadewannen und Unmengen von Stühlen und Tischen mit überladener Verzierung und einer Datierung zu inspizieren, die den verschiedenen Napoleons und den noch
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