Ein guter Jahrgang-iO
Büros der mehr oder weniger gediegenen Mitglieder der juristischen Zunft vereinnahmt. Maître Bosc, der Rechtsanwalt, den Max nach dem Zufallsprinzip aus dem umfangreichen Angebot im Branchenverzeichnis ausgewählt hatte, belegte das gesamte Erdgeschoss eines der best erhaltenen Gebäude, und sein Kanzleischild aus Messing funkelte in der Sonne.
Die Sekretärin bat Christie und Max, auf zwei harten Stühlen Platz zu nehmen, während sie ihre Ankunft meldete. Fünf Minuten vergingen, dann zehn. Endlich, als genug Zeit verstrichen war, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass der Maître ein viel beschäftigter und wichtiger Mann war, tauchte die Sekretärin wieder auf und geleitete sie feierlich ins Allerheiligste.
Es war ein weitläufiges Büro mit harmonischen Proportionen - hohe Decke, große Fenster, ein mit erhabenen Mustern verziertes Gesims -, entweiht durch eine moderne Einrichtung aus dem Katalog, die aussah, als würde sie im Dutzend billiger angeboten. Maître Bosc erhob sich hinter seinem Schreibtisch aus Rosenholz-Imitat und forderte sie mit einer Geste auf, Platz zu nehmen. Er war ein untersetzter Mann, der seinem äußeren Erscheinungsbild offenbar keine große Aufmerksamkeit widmete, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und zerzausten Haaren, einer Lesebrille, die er an einer Kordel um den Hals trug, und einer qualmenden Zigarre zwischen den Fingern. Er blickte sie mit einem freundlichen Lächeln an. »Alors ? Was kann ich für Sie tun?«
Max beschrieb die Ausnahmesituation, in der sich Christie und er befanden, während sich Bosc Notizen machte und von Zeit zu Zeit eine gemurmelte Frage einwarf. Christies bisheriger Kontakt zu Anwälten war auf die kalifornische Spezies beschränkt gewesen, die immer tipptopp gekleidet und streitsüchtig war. Bosc machte, auch wenn sie kein Wort verstand, einen sanften, umgänglichen Eindruck auf sie. Dennoch besaß er den Instinkt des Anwalts für ein langes lukratives Mandat, was bereits aus seinen ersten Worten ersichtlich war, nachdem Max seinen Vortrag beendet hatte.
Er ließ seine Brille von der Nase gleiten und begann langsam, sich in seinem Stuhl hin und her zu drehen. »Wir bewegen uns in einer juristischen Grauzone«, erklärte er.
Max wusste wenig über die Gesetzeslage, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass immer dann, wenn dieses unergründliche juristische Beiwerk der Grauzone heraufbeschworen wurde, atemberaubende Rechnungen folgten. Die nächsten Worte des Anwalts bestätigten seine Vermutung.
»Die Sache ist kein Klacks, da nicht so klar umrissen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.« Bosc zündete seine Zigarre wieder an, wischte die heruntergefallene Asche von der Krawatte. »Es gilt, nach Präzedenzfällen zu suchen. Aber vielleicht gibt es gar keinen Präzedenzfall.« Er beobachtete, wie Max die erfreulichen Neuigkeiten aufnahm. »In diesem Fall liegt die Entscheidung bei den höchsten richterlichen Instanzen.«
Max übersetzte für Christie. »Er sagt, die Angelegenheit könnte kompliziert werden.«
»Klar, was sonst«, erwiderte sie. »Das überrascht mich nicht. Max, das brauchen wir doch nicht.«
Max zuckte die Achseln. »Jetzt sind wir nun mal hier. Da können wir uns genauso gut anhören, was er zu sagen hat.«
Bosc drehte sich langsam hin und her, wartete, bis sie ihr Palaver beendet hatten. »Und dann wäre da noch das Problem, hieb- und stichfest nachzuweisen, dass Mademoiselle Monsieur Skinners Tochter ist; ein Kind der Liebe, aber gleichwohl sein leiblicher Abkömmling. Heute gibt es natürlich die DNA-Analyse - man erinnere sich an die affaire um das Kind von Yves Montand vor ein paar Jahren -, aber auch das ist kein Klacks. Monsieur Skinners sterbliche Überreste befinden sich auf dem Friedhof, und eine Exhumierung ist ein außerordentlich vertracktes Unterfangen, das Genehmigungen von verschiedenen Behörden erfordert.« Er ließ den nächsten Satz genüsslich auf der Zunge zergehen. »Es könnte beträchtliche Komplikationen nach sich ziehen. Ziemlich beträchtliche. Aber der Fall ist faszinierend, und ich bin gern bereit, ihn zu übernehmen.«
»Die Komplikationen sind noch komplizierter geworden«, übersetzte Max wieder für Christie. »Ich glaube, ich werde dir die Einzelheiten hinterher verklickern.«
Christie verdrehte die Augen und holte ihre Zigaretten heraus.
Bosc blickte von einem zum anderen, unsicher, wer schlussendlich sein Mandant werden würde. Er hoffte, derjenige von beiden, der Französisch
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