Ein guter Jahrgang-iO
Schlafzimmer gestellt und das Bett frisch bezogen. Ich bin sicher, ihr beide werdet euch wohl fühlen.«
Max stellte die Reisetasche abrupt auf dem Boden ab. »Nein, Madame. Nein. Das ist ein Missverständnis. Sie bleibt hier, aber nicht bei mir. Das heißt, schon bei mir, aber nicht im selben Schlafzimmer.«
Madame Passepartout nahm die Neuigkeit mit verblüffter Miene zur Kenntnis, als käme ihr der Gedanke, dass zwei gesunde und allein stehende junge Menschen es vorziehen könnten, getrennt von Tisch und Bett zu nächtigen, ziemlich abwegig, ja unnatürlich vor. Sie stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief. »Ah bon? Und wieso nicht?«
»Das werde ich Ihnen später erklären.« Max deutete mit einem Kopfnicken die Treppe hinauf und hievte die Reisetasche wieder auf seine Schultern. »Erst mal suchst du dir ein Quartier«, sagte er, an Christie gewandt.
Sie inspizierten sämtliche Räume im ersten Stock, wobei Madame Passepartout die Fensterläden aufstieß und rasch über die Möbel wischte, die sie als Staubfänger verdächtigte; sie wies auf den jeweiligen Ausblick hin, den die hohen Fenster boten, und beklagte - nicht ganz leise vor sich hinmurmelnd - die Verschwendung von Max' Schlafzimmer, das perfekt gewesen wäre. Christie betrachtete verwundert die durchhängenden Betten, die uralten schiefen Kleiderschränke, die unebenen Fliesenböden. Die Verwunderung verwandelte sich in Ungläubigkeit, als sie eines der Badezimmer betraten, das noch mittelalterlicher war als die anderen, mit einer Duschvorrichtung, die durch eine gedrehte Kordel aus brüchigen, inzwischen verblassten rosa Gummischläuchen mit der Badewanne verbunden war. Bedächtig schüttelte sie den Kopf. »Das ist ja vorsintflutlich«, sagte sie. »Unfassbar.«
»Nicht gerade das Ritz, ich weiß. Aber dafür hat es massenhaft Charme. So etwas findet man nicht in den Staaten.« Er hockte sich auf den Klodeckel und streckte beide Arme in Richtung Fenster aus. »Ich meine, du könntest hier viele glückliche Stunden verbringen. Das Panorama ist phantastisch.«
Das angedeutete Lächeln konnte Christies offenkundige Erschütterung nicht verbergen, und Max versuchte, sich die superluxuriösen sanitären Einrichtungen in Kalifornien vorzustellen, an die sie vermutlich gewöhnt war. Hygiene kam in Amerika einer Religion gleich, das wusste er. Er empfand Mitleid mit der jungen Amerikanerin. »Warum nimmst du nicht mein Schlafzimmer und Bad? Und ich suche mir eine andere Bleibe«, schlug er vor.
Gesagt, getan. Max überließ Christie der Aufgabe, ihre Reisetasche auszupacken, und ging mit Madame Passepartout in die Küche hinunter, wo er Trost bei einem Glas Wein suchte und sich Madames uferloser Neugierde stellte.
»Aber warum denn nicht?«, fragte sie abermals. »Es ist das beste Schlafzimmer. Das Bett ist groß genug für zwei. Ihr könnt zusammenrücken. Sehr kuschelig.«
»Wir kennen uns doch gar nicht.«
»Na und? Dann lernt ihr euch eben kennen.«
»Sie ist meine Cousine. Glaube ich zumindest.«
Madame Passepartout fegte etwas so Belangloses wie die Geburt, deren Umstände ohnehin unwägbar waren, mit einer Handbewegung beiseite. »Die Hälfte aller Aristokraten in Frankreich hat eine liaison mit Verwandten zweiten oder dritten Grades.« Sie bohrte Max den Zeigefinger in die Brust, um ihrem Argument Nachdruck zu verleihen. »Und nicht nur der Adel, sondern auch die Bauern. Sogar hier im Dorf ist allgemein bekannt...«
Max unterbrach sie mitten in ihrer Enthüllung. »Hören Sie, die Wahrheit ist...«
»Ah. Die Wahrheit.«
»... die Wahrheit ist, dass ich nicht wirklich auf Blondinen stehe. Ich ziehe Brünette vor. Das war schon immer so.«
»C'est vrai?«
»Absolut.«
Madame Passepartout konnte nicht verhindern, dass ihre Hand hochschnellte und ihre annehmbar brünetten Haare berührte. Sie hatte ein Arrangement vorgeschlagen, bei dem sich nach ihrer Auffassung das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden ließ - eine möglicherweise fruchtbare Verbindung -, und es war nur aus einem einzigen, ersichtlichen Grund abgelehnt worden: weil das Mädchen als Blondine auf die Welt gekommen war. Absurd. Wie sonderbar die Männer doch waren, vor allem die Engländer. Sie wünschte Max einen annehmbaren Abend und machte sich auf den Weg zu ihrer Schwester, Madame Roussel, mit der sie ausgiebig über ihn und seine Schrullen diskutieren konnte.
Max wartete, bis der Wagen am anderen Ende der Einfahrt verschwand, bevor er eine
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