Ein guter Jahrgang-iO
Flasche Rosé und zwei Gläser in den Hof hinaustrug. Er stellte die Flasche unter den Strahl des Springbrunnens, damit sie eiskalt blieb, holte zwei morsche Weidenstühle aus der Scheune und stellte sie neben das bassin, damit sie gemeinsam den Sonnenuntergang betrachten konnten. Er kam nur den Pflichten eines aufmerksamen Gastgebers nach, redete er sich ein. Doch als er sich hinsetzte, um die Ereignisse des Tages Revue passieren zu lassen, konnte er den Gedanken nicht ignorieren, dass seine Tage als Gastgeber unter Umständen gezählt waren. Gehörte das Weingut wirklich ihm, oder bestand die Gefahr, dass man ihm den Besitzanspruch aberkannte nur aufgrund eines verborgenen Hintertürchens in einem Gesetz, das vor zwei Jahrhunderten von Napoleon eingeführt worden war? War es töricht gewesen, das Problem überhaupt zur Sprache zu bringen? Aber er hielt sich gern für einen Mann mit ein oder zwei grundlegenden Prinzipien, und eine Stimme aus dem Grab erinnerte ihn an eine Lebensweisheit, die Onkel Henry ihm eingebläut hatte: Ein Prinzip ist erst dann ein Prinzip, wenn es Geld kostet. In diesem Fall nicht nur Geld, sondern ein neues Leben.
»Hi.«
Max schrak aus seinen sorgenvollen Zukunftsbetrachtungen hoch und sah Christie vor sich stehen, in frischen Jeans und weißem T-Shirt, die nassen Haare streng zurückgekämmt. Sie wirkte keinen Tag älter als achtzehn.
»Herzlichen Glückwunsch. Du hast entdeckt, wie man die Dusche benutzt.« Max schenkte ein Glas Wein ein und reichte es ihr.
»Danke. Ist das alles, was man hier kriegt? Ein Rinnsal?«
»Die Franzosen halten keine Rekorde im Duschen. Aber von Sonnenuntergängen verstehen sie etwas.«
Sie saßen schweigend da und betrachteten den Himmel, der mit gold- und pinkfarbenen Streifen und kleinen, rosaroten Wolken geschmückt war, wie auf einem Gemälde von Maxfield Parrish. Das Wasser des Springbrunnens plätscherte, das Geräusch vermischte sich mit dem Zirpen der Wanderheuschrecken und dem Quaken der Frösche, die einander über das bassin hinweg riefen.
Christie drehte sich um und sah Max an. »Wie war er, mein Dad?«
Max starrte in die Ferne, durchforstete sein Gedächtnis. »Was mir am meisten an ihm gefiel, war, dass er mich nicht wie einen Schuljungen, sondern wie einen Erwachsenen behandelte. Und er besaß viel Humor, vor allem, wenn es um die Franzosen ging, obwohl er ein Faible für sie hatte. Unser liebster Feind, pflegte er sie zu nennen; oder, wenn sie besonders halsstarrig und schwierig waren, verdammte Franzmänner. Aber er bewunderte ihren Überlegenheitskomplex und ihre guten Manieren. Gute Manieren gingen ihm über alles. Heute würde man ihn vermutlich als ziemlich antiquiert betrachten.«
»Warum das?«
»Er war ein Kavalier der alten Schule. Du weißt schon, ehrenhaft, fair, anständig - all das, was heute nicht mehr in Mode ist. Er hätte dir gefallen. Ich mochte ihn sehr.« Max trank einen Schluck Wein und blickte auf seine Uhr. »Ich dachte, wir fahren ins Dorf zum Essen. Dabei kann ich dir mehr über ihn erzählen.«
Chez Fanny war laut und mit Leuten aus dem Dorf und einer Hand voll Touristen bereits zum Bersten voll; die Touristen erkannte man auf Anhieb an den sonnenverbrannten Gesichtern und ihrer mit Markenzeichen gesprenkelten Kleidung. Fanny eilte herbei, um Max zu begrüßen. Sie war sichtlich überrascht, als sie entdeckte, dass er nicht allein war.
»Es ist lange her«, sagte sie und tätschelte Max' Arm, als sie ihn küsste. »Mindestens zwei Tage. Wo haben Sie gesteckt? Und wer ist das?«
Max machte die beiden Frauen miteinander bekannt; er sah, wie sie einander musterten, ein gegenseitiges Beschnuppern, das keine von beiden zu verbergen trachtete, wie zwei Hunde, die sich im Park begegnen. Wie kam es, dass Männer ihre Neugierde niemals so offen zur Schau stellten? Max lächelte, als sie Platz nahmen.
»Was ist so komisch?«, fragte Christie.
»Ihr zwei. Einen Moment lang dachte ich, dass ihr euch gleich beschnüffeln werdet.«
Christies Blick folgte Fanny, die sich gerade durch die Tischreihen schlängelte. »Hier trägt man die Kleidung ziemlich eng, oder? Wenn sie niest, würde sie oben ohne dastehen.«
»Ich gebe die Hoffnung nicht auf«, sagte Max. Als er sah, wie Christie missbilligend die Augenbraue hob, beeilte er sich fortzufahren. »Also, worauf hast du Lust? Hast du schon mal Kaninchen gegessen, mit Tapenade gefüllt? Köstlich.«
Christie schien nicht überzeugt. »In Kalifornien gibt es keine
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