Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
Vom Netzwerk:
Kaninchen. Schmeckt das nach... Wild?«
    »Nein, nach Hühnchen. Du wirst begeistert sein.«
    Das Thema Onkel Henry bestimmte die Unterhaltung bei Tisch, und Max erzählte Christie von seinen Erinnerungen an jene lang zurückliegenden Sommermonate. Sein Onkel hatte ihm eine Art Erziehung aufs Geratewohl angedeihen lassen, hatte ihm Tennis, Schach und Wein, gute Bücher und klassische Musik nahe gebracht. Max war vor allem ein endloser, verregneter Tag im Gedächtnis haften geblieben, der dem Ring- Zyklus gewidmet war, eingeleitet von dem Kommentar seines Onkels: »Wagners Musik ist nicht so schlecht, wie sie anfangs klingt.«
    Er hatte auch Lektionen über das Fahren eines Traktors, das Ausnehmen von Hühnern und die Pflege eines Frettchens erhalten, das als Haustier gehalten wurde, um die Rattenpopulation einzudämmen. Dieser Informationscocktail wurde durch verschiedene andere Ingredienzien ergänzt, so beispielsweise durch Vorträge über die unberechenbare Natur rothaariger Frauen, die unvergleichlichen Tugenden der Aleppo-Seife, die Wichtigkeit eines guten blauen Anzugs - »Bedenke deinen Schneider im Testament; das ist der einzige Lohn, den er von dir erhalten sollte« - und ein bewährtes System, beim Backgammon zu gewinnen.
    »Ich fand diese Sommerferien herrlich«, sagte Max. »Das war, als wäre man mit einem älteren Freund beisammen, der einem eine Menge beibringen konnte.«
    »Wo waren deine Eltern?«
    »Oh - in Schanghai, Lima, Saudi-Arabien, überall auf der Welt. Mein Vater war Diplomat, eine der unteren Chargen. Alle vier Jahre wurde er in irgendein Land versetzt, wo man nicht Kricket spielte und das generell als ungeeignet für kleine englische Schuljungen galt.«
    Inzwischen war die Dunkelheit längst hereingebrochen, und die Terrasse wurde nur vom flackernden Schein der Kerzen auf den Tischen und dem Strang farbiger Glühbirnen beleuchtet, den man an der Vorderseite des Restaurants aufgehängt hatte. Die meisten Gäste waren mit dem Essen fertig und tranken zum Abschluss einen Kaffee, rauchten, unterhielten sich leise und lauschten den Musikstücken von Edith Piaf, die Fanny aufgelegt hatte - Hymnen an ein gebrochenes Herz, in jedem Lied ein Schluchzen.
    Max sah, dass Christie schläfrig wurde und ihr Kopf vornüber sackte, während sie ein Gähnen zu unterdrücken versuchte. Der Wein, das Essen und der lange Tag forderten ihren Tribut, und deshalb bat er mit einem Wink um die Rechnung, die Fanny zusammen mit einem Glas Calvados brachte.
    Sie zog einen Stuhl herbei und nahm Platz. »Schauen Sie sich Ihre petite amie an.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf Christie, die kurz vor dem Einschlafen war. »Sie haben ihr offenbar derart zugesetzt, dass sie völlig erschöpft ist.« Fanny sah ihn an, belustigt und neugierig zugleich, ihre Augen waren im Kerzenschein beinahe so schwarz wie ihre Haare.
    Max probierte den Calvados, der wie brennende Äpfel schmeckte, und schüttelte den Kopf. Zuerst Madame Passepartout und nun Fanny: Beide zogen die gleichen voreiligen Schlussfolgerungen. Vielleicht sollte er sich geschmeichelt fühlen. »Es ist nicht so, wie Sie denken«, sagte er. »Sie ist gerade erst angekommen, aus Kalifornien. Langer Flug.«
    Fanny lächelte und beugte sich vor, um Max das Haar zu zerzausen. »Vielleicht haben Sie morgen mehr Glück, hein?« Ihre Hand fiel auf seine Schulter und blieb dort liegen, warm und federleicht. Ohne nachzudenken, ließ er seine Fingerspitzen über die Innenseite ihres nackten, karamellfarbenen Armes gleiten, zeichnete die zarte Linie ihrer Venen nach, die vom Handgelenk zur Ellenbeuge verliefen. Ihre Köpfe waren so nahe beieinander, dass er ihren Atem auf seiner Wange spürte.
    »Störe ich?« Christie hatte sich hochgerappelt und beobachtete die beiden mit halb offenen Augen.
    Max räusperte sich und lehnte sich zurück. »Ich zahle gerade.«
    Während der Rückfahrt konnte Max immer noch Fannys Haut spüren, als hätten seine Finger ein eigenes Gedächtnis. Christie gähnte erneut. »Tut mir Leid, dass mir die Puste ausgegangen ist. Aber trotzdem, danke. Es war ein schöner Abend. Und du hattest Recht mit dem Kaninchen.« Max lächelte in der Dunkelheit. »Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.« Obwohl keiner von beiden es zu diesem Zeitpunkt ahnte, hatten sie damit für die nächsten Tage den Gipfel ihrer bilateralen Beziehung erreicht.
    * * *
    Die erzwungene Nähe von Fremden ist immer eine schwierige Sache, denn einen Zaungast in seinem Leben zu

Weitere Kostenlose Bücher