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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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ertragen erfordert eine gewisse Rücksichtnahme, die nicht jedem in die Wiege gelegt wurde. Und bei Menschen mit eingefahrenen Gewohnheiten kann man unter Umständen bis zum Sankt Nimmerleinstag daraufwarten. So standen die Dinge zwischen Christie und Max.
    Es war für beide Seiten ein befremdliches und strapaziöses Arrangement. Später sollte Christie es als den Zusammenprall zweier völlig unterschiedlicher Lebenswelten bezeichnen. Max war Frühaufsteher, Christie Langschläferin. Wenn sie in die Küche hinunterkam, hatte Max bereits sämtliche Croissants aufgegessen und den letzten Orangensaft ausgetrunken. Christie war von Haus aus ordentlich, Max nicht. Er liebte Mozart, sie zog Bruce Springsteen vor. Keiner von beiden konnte kochen, ein Problem, das sich jeden Tag aufs Neue offenbarte. Christie fand Madame Passepartout neugierig und aufdringlich; Max sah in ihr eine Perle von unschätzbarem Wert.
    Hinzu kamen kleinere Unannehmlichkeiten, wie sie in vielen alten Häusern im ländlichen Frankreich passieren: Die launische Wasserversorgung sorgte abwechselnd für kochend heißes, eiskaltes oder gar kein Wasser; die Elektrizität schwankte, ermattete oder gab ohne ersichtlichen Grund ihren Geist auf; ein Traktor ratterte um sechs Uhr in der Früh unter dem Schlafzimmerfenster; der sonderbare Geschmack der frischen Kuhmilch; die Invasion der Insekten - all diese Unwägbarkeiten begannen alsbald, an den Nerven eines Mädchens zu zerren, das an Komfort und Effizienz in einem modernen, behüteten und feudalen Umfeld im Napa Valley gewöhnt war. Und nicht zu vergessen die Franzosen: in einem Augenblick förmlich, im nächsten vertraulich, redeten sie wie ein Maschinengewehr, waren Sklaven ihrer Bäuche, ständig von Knoblauchgeruch umhüllt und, wie Christie fand, mit chronischer Überheblichkeit geschlagen.
    Max stellte fest, dass es ihm insgeheim ein abartiges Vergnügen bereitete, ihr Paroli zu bieten, Frankreich und die Franzosen zu verteidigen und das Feuer der hitzigen Debatten hin und wieder mit einer wohl dosierten Kritik an Amerika zu schüren. Letztere wurde nie gut aufgenommen. Obwohl Christie für die Doktrin »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns« viel zu intelligent war, reagierte sie verwirrt und bisweilen verärgert auf die europäische Neigung, die Hand zu beißen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg so großmütig gefüttert hatte. Und sie geriet noch mehr in Rage, als Max auf die Halbwertzeit der Dankbarkeit anspielte und sie an Lafayette und die Schulden Amerikas gegenüber den Franzosen erinnerte. Und so wurde die Atmosphäre im Haus immer angespannter. Madame Passepartout spürte die Verstimmung, die herrschte, und selbst sie reagierte ungewohnt reserviert. Es war unvermeidlich, dass dieser anhaltende verbale Schlagabtausch mit einer handfesten Auseinandersetzung endete.
    Es begann in der Öffentlichkeit. Vom Hunger getrieben, hatten Christie und Max wohl oder übel einen Waffenstillstand geschlossen, um im Dorf zu Abend zu essen. Fanny trug, das muss gesagt werden, mit ihrem Verhalten nicht gerade dazu bei, die heikle Situation zu verbessern: Sie machte viel Aufhebens um Max, während sie Christie ignorierte, die das Treiben mit immer freudloserem Blick beobachtete. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, kam mit dem Dessert.
    Christie spießte ihre pochierte Birne mit einem mörderischen Hieb ihrer Gabel auf. »Muss sie dir eigentlich jedes Mal eine Massage verabreichen, wenn sie an den Tisch kommt?«
    »Eine nette Geste, gehört zum Service des Hauses.«
    »Ja, richtig.«
    »Das ist nun einmal ihre Art. Es zwingt dich ja niemand hinzuschauen.«
    »Prima.« Christie stieß ihren Stuhl zurück und sprang auf. »Dann lasse ich es bleiben.« Und damit marschierte sie in die Nacht hinaus, den Rücken vor Wut steif wie ein Ladestock.
    Max holte sie ein paar Minuten später auf der Landstraße außerhalb des Dorfes ein. Er trat auf die Bremse, um sich ihrem Schritttempo anzupassen, und stieß die Beifahrertür auf. Christie ignorierte ihn und blickte stur geradeaus, während sie schneller ging. Nachdem er rund hundert Meter im Schneckentempo neben ihr zurückgelegt hatte, gab Max auf, knallte die Tür zu und gab Gas.
    Wieder im Haus, warf er die Autoschlüssel auf den Küchentisch und suchte nach einem Ventil für seine Wut. Roussels widerlicher marc entsprach genau seiner Stimmung, und als Christie zur Tür hereinkam, war er gerade bei seinem zweiten Glas angelangt.
    Er sah ihr

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