Ein guter Jahrgang-iO
angespanntes Gesicht, zögerte und hätte es besser wissen sollen. Aber er war viel zu geladen, um seine Zunge im Zaum zu halten. »Schönen Spaziergang gemacht?«
Diese drei Worte waren das Signal, um bei Christie das Schleusentor für eine wahre Sturzflut von Beschwerden zu öffnen. Sie bewegten sich, nach einem kurzen Seitenhieb auf Fanny, zielstrebig auf den eigentlichen Brennpunkt ihrer Unzufriedenheit zu: Max oder vielmehr seine Einstellung - gefühllos, selbstsüchtig, eingebildet, mit einem überspannten, zweifelhaften Sinn für Humor. Typisch englisch. Sie marschierte vor dem Küchenherd hin und her und funkelte ihn an, während sie auf einen Ausbruch wartete oder zumindest auf eine Reaktion. Aber er hatte sich bereits in jenen Kokon aus eiskalter Verachtung zurückgezogen, zu der ein Engländer angesichts emotionaler Explosionen häufig Zuflucht nimmt, vor allem, wenn sie von Frauen und Ausländern stammen. Nichts hätte ein Mädchen, das auf einen Kampf erpicht war, mehr in Weißglut versetzen können.
»Jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung«, sagte Max. »Wie aggressiv sie auch zum Ausdruck gebracht wird.« Er deutete auf die Flasche, die auf dem Tisch stand. »Lust auf einen Drink?«
Nein, sie hatte absolut keine Lust auf einen Drink. Sie hatte Lust, ihm eine Lektion über den Respekt zu erteilen, der einer Frau in ihrer Lage gebührte - fern der Heimat, der Sprache unkundig und von Fremden umzingelt, gezwungen, mit einem Fremden zusammenzuleben.
Max wirbelte den letzten Schluck der öligen Flüssigkeit in seinem Glas herum, bevor er ihn mit einem Schauder runterkippte und sich erhob. »Ich gehe jetzt ins Bett«, sagte er. »Du bist kindisch; wieso wirst du nicht endlich erwachsen? Ich habe dich nicht gebeten herzukommen.«
Er schaffte es nicht einmal bis zur Küchentür. Christie sah plötzlich rot, schnappte sich das nächstbeste Wurfgeschoss und feuerte es ihm hinterher. Bedauerlicherweise handelte es sich um eine gusseiserne Kasserolle mit einem Durchmesser von fünfzehn Zentimetern, und noch bedauerlicher war, dass sie ins Schwarze traf. Die Kasserolle erwischte Max, der sich gerade umdrehen wollte, voll an der Schläfe. Das Letzte, was er wahrnahm, war eine Explosion im Kopf, ein stechender Schmerz, und dann nichts als Dunkelheit. Seine Beine gaben nach, und er fiel bewusstlos zu Boden.
Christie stand wie vom Donner gerührt da und blickte auf die Gestalt hinab, die sie niedergestreckt hatte. Blut sickerte aus der Wunde an Max' Kopf, hinterließ eine dünne rote Spur, die an der Schläfe hinabrann. Er gab keinen Muckser mehr von sich, lag reglos dar; eine Unheil verkündende Starre.
Reue und Panik überkamen sie. Christie eilte zu ihm, hockte sich auf den Boden, stand auf, riss Küchenkrepp von der Rolle, hockte sich wieder hin, wiegte seinen Kopf in ihrem Schoß, während sie versuchte, die Blutung mit dem Küchenkrepp zum Stillstand zu bringen. Sie tastete nach seiner Halsschlagader und meinte, einen Puls entdeckt zu haben, doch dieser kurze Augenblick der Erleichterung wurde umgehend von den Gedanken an die möglichen Folgen zunichte gemacht: Trauma, Hirnschaden, Schadensersatzprozesse in Millionenhöhe, Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung, jahrelanges Dahinvegetieren in einer französischen Gefängniszelle.
Ein Arzt. Sie musste einen Arzt benachrichtigen. Aber sie hatte keine Ahnung, wie man in Frankreich einen Arzt benachrichtigt. Die Polizei? Die Feuerwehr? Oh mein Gott. Was hatte sie nur getan?
Der Kopf auf ihrem Schoß bewegte sich kaum merklich. Dann erklang ein Ächzen, und gleich darauf öffnete Max langsam ein Auge und blickte an der Rundung ihres blutbespritzten Busens vorbei in ihr vor Angst verzerrtes Gesicht.
»Ein Meisterwurf. Wo hast du das gelernt?«
Christie atmete auf. »Alles in Ordnung? Es tut mir so Leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich schätze, ich habe - oh Gott, das Blut. Sag, dass alles in Ordnung ist.«
Max hob seinen Kopf mit übertriebener Vorsicht. »Ich denke, ich werde es überleben, aber jede Bewegung könnte fatale Folgen haben.« Er ließ seinen Kopf wieder in ihren Schoß sinken, verschränkte die Arme über der Brust, schloss die Augen und stöhnte erneut. »Obwohl es etwas gibt, was helfen könnte.«
»Was denn? Ich tue alles, alles, was du willst. Brauchst du einen Arzt? Ein Aspirin? Einen Drink. Sag schon.«
»Du hast nicht zufällig eine Schwesterntracht?«
Christie blickte in das Gesicht ihres Opfers.
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