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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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(schließlich war auch ihr bekannt, dass Engländer, die zur besseren Gesellschaft gehörten, einem Schlummertrunk nie abgeneigt sind); und danach mussten die Matratze gelüftet und gewendet, die Fenster auf Hochglanz gewienert, der alte Kleiderschrank gründlich poliert und sämtliche Spuren von Insektenleben beseitigt werden.
    Sie stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und rang um Atem, während Max sie zu beruhigen versuchte. Vielleicht hatte er Charlie zu sehr über den grünen Klee gelobt. »Eigentlich ist er nur ein alter Freund«, wiegelte er ab. »Er kommt sicherlich nicht in der Erwartung, hier ein Ambiente wie im Ritz vorzufinden.«
    »Mais quand même!« Madame Passepartout zog es vor, sich nicht überzeugen zu lassen. Sie blickte auf ihre Uhr und sah aus, als scharre sie ungeduldig mit den Hufen, als könne sie es gar nicht mehr erwarten, endlich mit den Vorbereitungen für Charlies Ankunft loszulegen. »Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Monsieur Max, wenn Sie und Mademoiselle sich heute außer Haus begeben würden, so dass ich mich ungestört ans Werk machen kann. Das Wetter ist doch wirklich sehr angenehm. Ich schlage Ihnen ein pique-nique vor.« Der Vorschlag wurde in einem Ton geäußert, der keinen Widerspruch duldete.
    Zu Max' Überraschung stieß diese Idee bei Christie, die gerade die Treppe heruntergewankt kam und sich schlaftrunken den Weg zur ersten Tasse Kaffee bahnte, auf Zustimmung. »Toll«, befand sie aus der Tiefe ihres frühmorgendlichen Wachkomas. »Picknicks sind Klasse.« Binnen zehn Minuten waren sie aus dem Haus vertrieben und standen neben dem Auto, ausgerüstet mit Straßenkarte und Korkenzieher, doch ohne einen blassen Schimmer, wohin die Spritztour gehen sollte.
    Die Erleuchtung kam, als sie im Dorf waren. Sie hatten alles an Lebensmitteln besorgt, was man für ein einfaches Mittagsmahl im Grünen braucht, und holten gerade Brot, als Christies Blick auf einen Aushang am schwarzen Brett des Bäckers fiel. Zwischen den Fotografien von entlaufenen Katzen und Waschzetteln mit den Sonderangeboten des Prix d'Ami, eines Kettenladens, der häusliche und landwirtschaftliche Produkte aus zweiter Hand feilbot, steckte eine Werbebroschüre von einem Reiterhof außerhalb des Ortes, der Mietpferde für so genannte pique-niques hippiques im Luberon anpries.
    »Bieten die das an, was ich denke?«, fragte Christie recht kleinlaut. »Pique-nique kann ich mir gerade noch zusammenreimen, und da auf dem Bild ein Pferd zu sehen ist, liegt der Gedanke nahe, dass es sich um einen Ausritt mit Picknick handelt, richtig? Phantastisch.«
    »Kannst du denn reiten?«
    »Klar. Du nicht?«
    Max teilte Oscar Wildes Ansicht, dass Pferde an beiden Enden gefährlich und in der Mitte unbequem sind, und erinnerte sich an seinen ersten und letzten Reitversuch. Der Gaul hatte ihn abgeworfen, noch bevor er im Sattel saß, und dann von oben auf ihn herabgeschaut, die Lippen zu einem schaurigen Grinsen verzogen, das gelbe Zähne enthüllte und jeden Mitgefühls entbehrte. »Ich habe es ein Mal probiert«, gestand er. »Aber das Pferd hat gewonnen.«
    »Komm schon. Reiten ist genau wie Radfahren. Da ist nichts dabei.«
    Eine halbe Stunde später standen sie auf der Koppel neben zwei freundlichen und allem Anschein nach lammfrommen Pferden. Der Bauer, dem der Reiterhof gehörte, hatte Max eine Karte gegeben, in der die grobe Richtung der Reitwege von Hand eingezeichnet war - obwohl die Pferde diese so gut kannten, dass sie blind ihren Weg finden würden, sagte er. Christie schwang sich locker und leicht in den Sattel, während Max zögernd einen Fuß in den Steigbügel stellte.
    »Nicht doch, Max. Andere Seite. Man steigt immer von links auf.«
    »Warum?« Das Pferd drehte den Kopf um und sah Max vorwurfsvoll an.
    »Keine Ahnung. Aber das war schon immer so. Ich glaube, das hat etwas mit dem Schwert zu tun. Damit es sich nicht mit den Beinen verheddert. Du weißt schon - das steckt rechts in der Scheide.«
    »Natürlich, mein Schwert. Wie dumm von mir.« Er hievte sich in den Sattel, und schon setzte sich das Pferd in Bewegung, unaufgefordert, ging hoheitsvoll und ohne Hast im Schritt.
    Es dauerte nicht lange, bis Max seine Höhenangst vergessen hatte und sich, wenn auch nicht richtig entspannt, so doch weniger angespannt fühlte; er begann sogar zunehmend Gefallen an der ungewohnten Fortbewegungsart auf dem Rücken eines großen, lebendigen Vierbeiners zu finden. Er atmete den Geruch nach warmem Pferd

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