Ein guter Jahrgang-iO
auch.« Sie hob die Hand, um Max an einer Erwiderung zu hindern. »Erstens bin ich nicht wegen eines Weinguts hergekommen; ich habe bereits das alte Haus meiner Mutter geerbt, das heute das Zehnfache dessen wert ist, was sie einst dafür bezahlt hat. Nein, ich kam hierher, weil ich nach der Trennung von Bob einen Tapetenwechsel brauchte - und um endlich meinen Vater kennen zu lernen, wie du weißt. Aber ich bin noch nicht bereit, einen Hausstand zu gründen, und schon gar nicht in Frankreich.« Sie sah Max an und begann zu lächeln. »Ich meine, das Leben hier ist phantastisch, aber nichts für mich. Vielleicht braucht es seine Zeit, bis man auf den Geschmack kommt. Wie dem auch sei, dein Onkel wollte, dass du das Weingut bekommst. Und weißt du was? Sie hob ihren Pappbecher und prostete ihm zu. »Es gehört dir, ganz allein.« Und dann fügte sie trotzig hinzu. »Auf diese Weise vermeiden wir nämlich, diesem Winkeladvokaten mit den wackelnden Augenbrauen und der schmutzigen Phantasie unser gutes Geld in den Rachen zu werfen. Der Kerl hat Nerven!«
Max dachte an den besagten Nachmittag in Aix zurück - der jetzt einer fernen Vergangenheit anzugehören schien -, als sie den Rechtsanwalt aufgesucht hatten, und an die Bemerkung, die Christie in Rage versetzt hatte. Von wegen Romanze. »Geh nicht zu streng mit ihm ins Gericht. Die Franzosen sind von Haus aus der Meinung, Sex sei das A und O im Leben. Schau dir Madame Passepartout an - seit deiner Ankunft hat sie versucht, uns zu verkuppeln; sie hätte zu gerne gesehen, dass wir miteinander ins Bett gehen, und das nicht nur, um Bettwäsche zu sparen.« Er fischte einen orientierungslosen Grashüpfer mit dem Finger aus seinem Wein, bevor er einen weiteren Schluck trank. »Es ist nicht böse gemeint, sondern vielmehr eine Art Nationalsport. Muss genetisch vorprogrammiert sein.«
»Wie die Raserei am Steuer und die haarsträubenden Installationsarbeiten.«
»Genau. Trotzdem - du solltest dir das mit dem Weingut noch einmal in Ruhe überlegen. Das ist schließlich eine Entscheidung von großer Tragweite.«
»Max! Du solltest es nicht zu bunt treiben. Weißt du noch, wie es dir das letzte Mal ergangen ist, als du mit mir gestritten hast?« Christie gähnte, ging in die Horizontale und bettete ihren Kopf auf die Segeltuchtasche, die das Mittagessen enthalten hatte, während Max über den flimmernden Dunst der Nachmittagshitze auf das Meer hinausblickte.
»Ich hoffe, dass dir der gute alte Charlie gefällt«, sagte er. »Er ist mein allerbester Freund. Es würde ihn freuen, wenn es uns gelänge, etwas aus dem Wein zu machen, den Roussel nebenher anbaut. Château Charlie. Ich sehe ihn direkt vor mir, wie er sich mit dem Wein den Mund ausspült und mit diesem überdrehten Fachchinesisch protzt - viel versprechend, entdecke ich da einen Hauch von Herbstlaub, Bleistift-Grafit, Trüffel, gerösteten Aprikosen? Nun ja, Christie, in Wirklichkeit hast du nichts gegen die Engländer, das weiß ich. Nur gegen mich. Charlie ist anders. Er wird dir gefallen.«
Doch er erhielt keine Antwort. Die Sonne, der Wein und die frische Luft hatten ihren Tribut gefordert. Christie schlief tief und fest.
Max sann über seine Zukunft nach, die ihm plötzlich in rosigerem Licht erschien, und seine Laune besserte sich schlagartig. Binnen weniger Tage hatte er ein Haus geerbt und war nun dank Christies Verzicht über jeden Zweifel bezüglich der Eigentumsrechte erhaben. Er besaß einen Weingarten, der einen guten Tropfen erzeugte. Gut genug jedenfalls, um das Interesse von Nathalie Auzet und ihrer Komplizen zu wecken, und vermutlich auch gut genug, um die laufenden Kosten des Anwesens zu decken. Da er Roussel nun einmal mochte, war er froh, dass der alte Halunke nichts über den Verbleib des Weines wusste, sobald dieser seine cave verlassen hatte. Oder nichts zu wissen schien.
Er hörte ein leises Schnauben an seiner Seite, beinahe wie von einem Pferd. Christie hatte die Stellung gewechselt und lag mit angewinkelten Beinen auf der Seite. Eine Ameise bahnte sich den Weg über die glatte, honigfarbene Haut ihrer Wange. Behutsam wischte er die Ameise weg und betrachtete das Gesicht der Schläferin mit Dankbarkeit und, wie er zugeben musste, einem Anflug von Zuneigung. In einer außergewöhnlichen und schwierigen Situation hatte sie sich als jemand erwiesen, mit dem man Pferde stehlen konnte. Möglicherweise würde er sie sogar vermissen.
SECHZEHN
»Die habe ich mir von einer Bekannten aus
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