Ein guter Jahrgang-iO
dem Dorf ausgeliehen, die très anglophile ist«, sagte Madame Passepartout, als sie Max das Wunder zeigte, das sie in dem Schlafzimmer vollbracht hatte, welches Charlie beziehen sollte. »Ihr Freund wird sich auf Anhieb heimisch fühlen. Schauen Sie sich die Hunde an.« Sie deutete auf den Nachttisch.
Dort standen neben einer Karaffe mit Cognac und einer kleinen Vase mit Fresien eine gerahmte Fotografie von Königin Elizabeth, lächelnd und in ihrer ganzen Farbenpracht. Sie thronte auf einem Sofa, möglicherweise in ihren Privatgemächern auf Schloss Windsor, umgeben von ihrem Corgi-Hofstaat, der wie ein lebender Fächer zu ihren Füßen auf dem Teppich ausgebreitet war.
Max betrachtete die Aufnahme und war sicher, dass Charlie denken würde, er sei nicht mehr ganz bei Trost. »Sie haben alles bedacht, Madame, bis in die kleinste Einzelheit«, erwiderte er. »Mein Freund wird zweifellos hingerissen sein.«
Es war der Morgen des Tages, an dem Charlies Ankunft bevorstand, und Max bestaunte nun schon eine Viertelstunde lang pflichtschuldigst den neuen Glanz des Schlafzimmers. Er musste zugeben, dass Madame Passepartout tatsächlich ein Wunder vollbracht hatte: Die fadenscheinigen Kissen und maronenfarbenen Vorhänge mit ihren dunklen Flecken waren ausgeklopft, bis kein Stäubchen mehr zu sehen war, die harten Oberflächen sämtlicher Möbel waren auf Hochglanz gewienert und der Fliesenboden durch reichliche Anwendung von Wasser, Leinsamenöl und »Armschmalz« einer radikalen Verjüngungskur unterzogen worden. Ein kleiner Läufer lag neben dem Bett, um Charlies zarten Füßen den Kontakt mit dem gemeinen Fußboden zu ersparen. Und natürlich stand das königliche Porträtfoto an dem Platz, der ihm gebührte. Was konnte sich ein Gast mehr wünschen!
Madame Passepartout unterbrach Max' Lobeshymne mit erhobenem Zeigefinger. »Tanzt er gerne, Ihr Freund?«
Er hatte Charlie einige Dutzend Mal auf der Tanzfläche in Aktion gesehen. Seine Füße bewegten sich selten über ein Schlurfen hinaus, aber seine Hände waren ständig mit einer Art Leibesvisitation im Zeitlupentempo beschäftigt. Seltsamerweise schienen seine Tanzpartnerinnen ihm diese nie übel zu nehmen. »Ja«, erwiderte Max. »Obwohl er langsame Musik bevorzugt. Wegen seiner Arthritis.«
»Ah bon? Nun, heute Abend ist Musik in jeder Geschwindigkeit angesagt. Unser alljährliches Dorffest findet statt, und das bedeutet: essen und tanzen. Eine Band, die Akkordeon spielt, und ein diji aus Avignon wird für die modernere Musik zuständig sein. Mit Aufnahmen vom Band«, fügte sie hinzu, für den Fall, dass Max nicht auf dem Laufenden war, was die zeitgenössischen Entwicklungen in der Musikwelt betraf. »Wie in einer Diskothek.«
Max nickte. »Ich hoffe, Sie gehen auch dorthin, Madame.«
»Selbstverständlich. Das ganze Dorf wird da sein.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drehte mit erstaunlicher Geschicklichkeit eine Pirouette. »Und alle werden tanzen.«
Einen kleinen Augenblick lang dachte Max an Fanny, malte sich aus, wie er mit ihr unter dem Sternenzelt tanzte. Dann sah er auf seine Uhr. »Ich muss los. Unser Gast müsste nach menschlichem Ermessen ziemlich bald im Dorf ankommen, und er kennt sich hier nicht aus.«
* * *
Charlie brannte dermaßen darauf, alles hinter sich zu lassen, was mit Luxusimmobilien in Verbindung stand, dass er in aller Herrgottsfrühe in Monte Carlo aufgebrochen war und bereits St. Pons erreicht hatte. Er fuhr vor das Café, stieg aus seinem feudalen Leihwagen, einem Mercedes, und sah sich gut gelaunt und interessiert auf dem Dorfplatz um.
Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn mit einem »Eingeborenen« von St. Pons zu verwechseln. Er war von Kopf bis Fuß à l'anglais gekleidet: doppelreihiger Blazer, reich mit Messingknöpfen bestückt, hellgraue Flanellhosen und ein brandneuer Panamahut, der ins Auge stach - alles in allem eine Erscheinung aus einer anderen Welt, die von den Einheimischen verstohlen und mit verhaltener Neugier gemustert wurde. Als er einen der Blicke auffing, von einer älteren Frau, zog Charlie den Hut. »Bonjour, meine Liebe, bonjour.«
Bedauerlicherweise war sein französischer Wortschatz damit so gut wie erschöpft. Dennoch war er einen Schritt über die traditionelle englische Kommunikationsmethode mit Fremden hinausgegangen - die darin besteht, sehr langsam und in voller Lautstärke Englisch zu sprechen -, aber es war nur ein ins Nichts führender Schritt. Denn er befleißigte sich einer
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