Ein guter Jahrgang-iO
auf oder in einem dieser kleinen Kurorte, wo es natürliche Heilquellen gibt, damit die Leber in Prickelwasser baden kann. London hat dagegen alles, was sich der Mensch nur wünschen kann: Theater, Clubs, Pubs, Geschäfte, Restaurants, die Towerwächter mit ihren Bärenfellmützen, den Buckingham Palace, Notting Hill, wo der Bär tobt - denken Sie an die Postkarten, die Sie nach Hause schicken könnten -, ein Klima, das mit seinem Feuchtigkeitsgehalt Wunder für den Teint einer Frau vollbringen kann, Taxifahrer, die Englisch sprechen... ähm, Englisch spricht natürlich jeder!«
»Wow, man stelle sich das vor!« Christie streckte die Hand über den Tisch, fischte Charlies Serviette aus dem Salat und steckte sie ihm wieder in den Hemdkragen zurück.
»Im Ernst, das ist ein großer Vorteil, vor allem, wenn man sich zum ersten Mal an einem Ort befindet. Und ein weiterer großer Vorteil ist, dass Sie dort einen Kontaktmann haben, der London wie seine Westentasche kennt und sich glücklich schätzen würde, Ihnen seine Heimatstadt zu zeigen.« Er lehnte sich zurück und trommelte gegen seine Brust. »Moi. Und ich besitze ein Gästezimmer.«
Charlie gelang es ausnahmsweise, seine zuckenden Augenbrauen unter Kontrolle zu halten und eine Unschuldsmiene aufzusetzen. Als Max zusah, wie sich die beiden zulächelten, hatte er das Gefühl, Luft zu sein. Außerdem würde er jede Wette eingehen, dass besagtes Gästezimmer leer bleiben würde. Er unterbrach das Schweigen mit einem lauten, gespielten Seufzer der Erleichterung. »Jetzt fällt mir ein Stein vom Herzen«, sagte er. »Wäre es möglich, kurz über den Wein zu sprechen, nachdem ihr zwei eure Reisepläne aufeinander abgestimmt habt?«
Max fing noch einmal von vorne an und gelangte zu der gleichen Schlussfolgerung: Es gab zwei Möglichkeiten. Sie konnten Nathalie Auzet zur Rede stellen und versuchen, ihr ein Geständnis zu entlocken, was Max für unwahrscheinlich hielt und Christie als Ding der Unmöglichkeit abtat. Oder sie warteten, bis der geheimnisvolle Unbekannte im September wieder mit dem Lastwagen auftauchte.
»Und was dann?«, fragte Charlie. »Die Burschen höflich fragen, wohin sie den Wein bringen? Sie bitten zu warten, bis du die Polizei geholt hast?« Er schüttelte den Kopf. »Und noch etwas: Woher willst du wissen, ob Roussel nicht inzwischen der Notarin geflüstert hat, dass das Spiel aus ist?«
Max musste zugeben, dass diese Möglichkeit bestand. »Er hat mir zugesichert, dass er schweigen wird wie ein Grab, aber hundertprozentig sicher sein können wir wohl nicht.«
Christie betrachtete stirnrunzelnd die leere Flasche, die vor ihr auf dem Tisch stand. »Moment mal. Max, sagtest du nicht, du hättest irgendetwas in Nathalie Auzets Haus gesehen? Ein Etikett?«
Max nickte. »Richtig. Ich erinnere mich, dass ich mir eine Notiz gemacht habe, aber weiß Gott, wo.« Er stand auf. »Warum nimmst du Charlie nicht auf eine Besichtigungstour mit, während ich danach suche?«
Madame Passepartout hatte ihren Beobachtungsposten am Küchenfenster aufgegeben, um ins Freie zu eilen, den Tisch abzuräumen und mit beifälligem Blick zu registrieren, wie Christie und Charlie den Hof verließen, sich angeregt unterhielten und dabei die Köpfe zusammensteckten. »Genau wie ich dachte«, murmelte sie höchst zufrieden. »Un coup de foudre.«
Max verbrachte eine geschlagene Stunde damit, die Taschen sämtlicher Kleidungsstücke und die verschiedenen Listen und Papiere zu durchforsten, die er gestapelt und in die Kommodenschubladen und hinterste Ecke des Kleiderschranks gestopft hatte. Endlich fand er, wonach er suchte, auf die Rückseite seines englischen Scheckhefts gekritzelt. Der Name war auch jetzt noch ein Buch mit sieben Siegeln für ihn, wie zu dem Zeitpunkt, als er ihn notiert hatte.
Als er endlich die Treppe hinunterkam, war Charlie von der Grundstücksbegehung zurückgekehrt und hellauf begeistert. »Sensationell«, sagte er zu Max. »Man müsste das Haus nur ein wenig renovieren - und einen Pool bauen lassen - ein Pool ist heutzutage ein absolutes Muss -, und schon säße man auf einem siebenstelligen Objekt. In Pfund Sterling, versteht sich.« Er sah sich um, das Glitzern eines Immobilienhais, der Blut geleckt hat, in den Augen. »Die Rückseite ist geschützt durch den Berg, und rund um das Haus hast du genug Land als Polster, so dass es keine Probleme mit den Nachbarn geben dürfte. Falls du also...«
Max hob die Hand. »Charlie, bevor du den Boden
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