Ein guter Jahrgang-iO
spät: Morgen Nachmittag um halb vier werde ich in Bordeaux erwartet. Woher wollen wir wissen, ob es sich wirklich um Roussels Wein handelt? Ich bin mit Sicherheit nicht in der Lage, den Unterschied zu erkennen.«
Max grinste. »Das lass nur meine Sorge sein. Ich habe noch eine Geheimwaffe in petto.«
* * *
Am Morgen darauf fand sich in aller Frühe eine kleine Gruppe von Passagieren auf dem Flughafen von Marignane ein, die sich sehr von den übrigen mit Aktenkoffern bewaffneten Geschäftsleuten abhob, welche vor dem Check-in-Schalter des Air-France-Zubringers nach Bordeaux standen. Christie und Max trugen Jeans und leichte Jacken, Charlie Blazer, Flanellhose und dazu ein gestreiftes Hemd, Fliege und Sonnenbrille. Claude Roussel sah sich mit unbehaglicher Miene um. Er war im Sonntagsstaat erschienen, einem zwanzig Jahre alten schwarzen Anzug, den er bisher nur zu Hochzeiten und Beerdigungen getragen hatte.
In seinem ganzen Leben war er bisher nie weiter gereist als Marseille - eine Stadt, der er mit erheblichem Misstrauen begegnete, weil sie von Fremden nur so wimmelte -, und heute sollte sein »Jungfernflug« stattfinden. Anfangs hatte er gezögert, mitzukommen; er war nicht besonders erpicht darauf, sich in die Lüfte zu erheben, und außerdem drohte in Bordeaux die Gefahr einer unliebsamen Konfrontation. Doch Max hatte ihm die spielentscheidende Rolle geschildert, die ihm zugedacht war, sowohl jetzt als auch in Zukunft, und Roussel hatte sich nach besten Kräften bemüht, seine bösen Vorahnungen zu überwinden. Er hielt sich in dieser ungewohnten Umgebung möglichst eng an Max, bis zu dem Augenblick, als er gezwungenermaßen auf dessen Gesellschaft verzichten musste, weil der Brite allein die Sicherheitskontrolle passierte. Jetzt drehte er sich um und forderte Roussel mit einem Kopfnicken auf, ihm durch den Torbogen zu folgen.
Piep... piep-piep-piep-piep-Piep. Roussel fuhr zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. Er wurde aufgefordert, es erneut zu versuchen; abermals ertönte lautes Piepen. Seine Miene wurde immer panischer, als er zur Seite gewinkt wurde, wo eine gelangweilte junge Frau ihn von Kopf bis Fuß mit einem elektronischen Detektor abtastete, der mit einem schrillen Summen auf seinem Magen zum Stillstand kam. Und dort, in seiner Westentasche, steckte sein altes Opinel-Messer, sein langjähriger, treuer Weggefährte. Mit einem missbilligenden Stirnrunzeln konfiszierte die junge Frau die Waffe, warf sie in einen Plastik-Papierkorb und forderte ihn mit einem Winken auf, weiterzugehen.
Roussels Panik verwandelte sich schlagartig in blanke Wut. So konnte man mit ihm nicht umspringen! Das Messer war sein Eigentum, und er verlangte es zurück. Er wandte sich an Max, der nur wenige Schritte entfernt stand, und zeigte anklagend auf die junge Frau. »Sie hat mir einfach mein Messer abgenommen!« Die übrigen Passagiere warteten darauf, endlich die Sicherheitskontrolle zu passieren, sie wurden neugierig und schließlich nervös; sicherheitshalber traten sie ein paar Schritte zurück und beobachteten, wie die junge Frau nach dem nächsten bewaffneten Wachposten schielte.
Max eilte herbei und ergriff Roussel am Arm. »Am besten lassen Sie sich nicht auf einen Streit mit ihr ein«, riet er. »Wahrscheinlich hat sie Angst, Sie könnten dem Piloten die Kehle aufschlitzen.«
»Ah bon? Warum sollte ich das tun, wo ich doch selbst in der Maschine sitze?«
Mit einiger Anstrengung gelang es Max, ihn aus dem Sicherheitsbereich heraus an die Bar in der Abflughalle zu lotsen, wo eine ausführliche Erklärung, ein Pastis und die Aussicht auf Ersatz - ein Laguiole-Messer sogar, womit er einen guten Tausch machte - ein Übriges taten, Roussels gute Laune wieder herzustellen.
Als sich die Maschine mit dem üblichen Getöse und Vibrieren der extrem belasteten Motoren von der Startbahn in die Luft hievte, merkte Max, wie der Verwalter die Armlehne seines Sitzes so fest umklammerte, dass seine Knöchel unter der gebräunten Haut weiß waren. Und diese Farbe behielten sie während des ganzen, allerdings kurzen Fluges, obwohl Max ihn zu überzeugen suchte, dass die nervenaufreibende und völlig widernatürliche Erfahrung, in einer Höhe von 30 000 Fuß über dem Erdboden in einer Blechröhre zu reisen, nur selten tödlich endete. Erst als er sein Überleben mit einem weiteren Pastis am Flughafen von Bordeaux gefeiert hatte, nahm Roussels Gesicht wieder Farbe an. Er war recht entspannt, als er ins Taxi
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