Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
nie in Gottesdienste.« – »Ich gehe häufig in Kirchen«, hatte er gesagt und gleichzeitig den heißen Strahl eines Schuldgefühls bemerkt: Sie weiß nichts davon, sie weiß nichts von mir. »Ich bin nicht scharf auf Gottesdienste, auf die Predigten, auf die ewige Wiederholung der angeblichen Forderungen und Superangebote vom lieben Jesus. Mir reichen die Kirchen, die Stille in ihnen.« Dann war eine für sie klassische Frage gefallen. »Und? Was machst du mit der Stille?« »Ich höre ihr zu und werde ruhig«, hatte er geantwortet. Er war einen Schritt weitergegangen, hatte scheinbar zusammenhanglos die Frage gestellt: »Was ist zum Beispiel mit uns? Warum schlafen wir nicht mehr miteinander? Du greifst nicht mehr nach mir.« Da war sie zusammengezuckt, hatte sich abgewendet, war im Bad verschwunden. Ende der Vorstellung.
    Und er? Er war ins Kinderzimmer gegangen, auf Zehenspitzen, hatte Anna-Maria in ihrem zerwühlten Bettchen betrachtet, hatte an den deutschen Liedtext gedacht: Sie sieht so süß aus, wenn sie schläft …
    Jetzt stand er auf dem kleinen Balkon vor seinem Zimmer und fragte sich, ob das heutige Treffen mit Achmed eine vollkommen neue Phase einleiten könnte. Was würde er zu erzählen haben? Eine dieser Katastrophenketten? Wir haben die Rakete der Nordkoreaner, wir können Scud-C-Raketen alleine bauen, wir kriegen iranische Hilfe, wir fegen Israel vom Erdball.
    Er trat in das Zimmer zurück und legte sich auf das Bett, um an die Decke zu starren.
    Er mochte sich nicht in diesem wilden, wütenden Zustand, er fühlte dann Hass in sich aufsteigen. Wie hatte Krause formuliert? »Steigen Sie aus, wenn Sie wütend sind, Wut macht Sie angreifbar. Versuchen Sie, wieder sachlich zu werden, das nächste Ziel ganz kühl anzupeilen.« Du lieber Himmel, der Mann hatte gut reden.
    Er ging um acht Uhr ins Restaurant, um zu frühstücken, er aß wie immer Joghurt mit Früchten, und er hörte wie immer mit dem Essen auf, ehe er satt war. Das war der erste kleine Sieg des Tages.
     
    Um Viertel vor neun stieg er mit den zwei schweren Vertreterkoffern in ein Taxi und ließ sich an den Südrand des Basars fahren, ungefähr einen Fußweg von zehn Minuten von Achmeds Geschäft entfernt.
    Er fühlte sich wohl in diesem Gedränge, in dem einer auf den anderen nicht zu achten schien, ausgenommen die Diebe. Er winkte einem Jungen, der mit einem kleinen Karren auf Kunden wartete. Er sagte: »Die beiden Koffer hier!«
    »Natürlich, Sir«, sagte der Junge und lud die Koffer auf den Karren. Dann pfiff er laut und falsch einen US-Schlager.
    Müller ging langsam, schaute hier und da in Auslagen, prüfte ein Gewürz, besah sich eine Wurst und blieb dann länger bei einem Devotionalienhändler stehen, der Heiligenbildchen der kitschigen Sorte für Griechisch-Orthodoxe anbot, aber auch holzgerahmte Farbdrucke von zahllosen Rechtsgelehrten und Mächtigen des sunnitischen Islam.
    Von diesem letzten Standpunkt aus konnte er den Laden von Achmed sehen, und Achmed sah ihn.
    Dann bedeutete Müller dem Jungen, ihm weiter zu folgen, umkreiste die nächsten Verkaufsstände, kam auf der Rückseite von Achmeds Laden an, sah schließlich Achmed die schmale Straße queren und im Obstgeschäft gegenüber verschwinden.
    Er sah, wie Achmed das Obstgeschäft verließ, eine Orange spielerisch hochwarf und wieder auffing.
    Müller schlenderte noch ein wenig weiter und kehrte exakt zehn Minuten später zu Achmeds Laden zurück, ließ den Jungen die Koffer hineintragen und bezahlte ihn dann.
    »Mein deutscher Hammer«, strahlte Achmed, was so viel hieß wie: Alles klar!
    Sie umarmten sich.
    »Wie geht es Nour und den Kindern?«, fragte Müller.
    »Fantastisch!«, antwortete Achmed. »Sie fragen, ob du heute Abend kommst. Auf einen Wein. Vielleicht ein wenig Spaß haben.«
    »Mal sehen«, sagte Müller leichthin. »Schließlich gibt es noch Konkurrenten von dir, die auch beliefert sein wollen. Mal sehen.« Jetzt die ganz unverfängliche Feststellung: »Ich kann keine Schrauben mehr sehen, können wir einen Kaffee trinken oder irgendetwas in der Art?«
    »Aber ja!«
    Achmed war ein schmaler Mann in Jeans und einem schneeweißen Hemd, einen Kopf kleiner als Müller. Er wirkte flatterig, was noch niemals vorgekommen war. Aber diese Nervosität, so schien es Müller, barg keine Furcht. Groteskerweise hatte Müller sekundenlang das Gefühl, dass er störte.
    Achmed griff nach Müllers rechtem Ellenbogen und drehte ihn zu einem Tischchen.
    Diese Griffe

Weitere Kostenlose Bücher