Ein guter Mann: Roman (German Edition)
erlaubte er sich oft, er brauchte körperliche Berührung, und Müller hatte anfangs Schwierigkeiten damit gehabt, weil er genau das scheute.
»Da kannst du deine Sachen ausbreiten, dann gehen wir.«
Müller öffnete beide Musterkoffer und legte bedachtsam sein Angebot aus, lauter neu entwickelte Dinge: harte Bohreinsätze, Nägel aus noch unbekannten Legierungen, Hämmer aus Kunststoff mit runden und eckigen Köpfen. Ein paar hochmoderne kleine Maschinen, eine ganze Garnitur teurer, verschnörkelter Schrankbeschläge, wie die Syrer sie liebten.
»Es sind gute Sachen, weißt du. Dann habe ich noch Schrauben mit Linksgewinde und rechtsdrehenden Sicherungseinsätzen. Du musst nur aussuchen, und du hast wie immer viel Zeit dazu. Hier sind deutsche Pflaumen für dich.« Er drückte ihm die Papiertüte mit dem Geld, die er in einem der Koffer verstaut hatte, in die Hand.
Achmed sagte artig Danke, verzichtete auf jede Clownerie, packte die Papiertüte beinahe achtlos in eine Schublade, die er abschloss. Dann pfiff er grell, und ein junger Mann in einem blauen Arbeitskittel kam aus der Tiefe des Ladens herbeigelaufen.
»Pass auf die Dinge hier auf«, sagte Achmed, »sonst reißt dir mein Freund den Kopf ab.«
Jetzt war Müller-Zeit, jetzt musste Müller bestimmen, wo sie miteinander sprechen würden. Bei den normalen, routinemäßigen Treffs, bei denen wenig auszutauschen war, reichte ein ausgiebiges Schlendern durch die Gassen um den Basar und scheinbar harmloses Plaudern in einer Sprache, die sich an lange vereinbarten Codewörtern orientierte. Bei diesem Treff musste es ein kleines Lokal sein, von denen es hier viele gab und die Müller alle ganz genau kannte.
Er dachte an ein Café, in dem vorwiegend junge Leute verkehrten, in dem immer ein Fernseher lief, in dem man widerliche Brotfladen mit fettigem Hammelfleisch essen konnte und in dem jeder über vierzig auffiel. Es hieß Chez Gilbert und war angeblich die matte Erinnerung an einen verrückten Franzosen, der einmal versucht hatte, in Damaskus elegante Damen in elegante Roben zu hüllen. Immer, wenn das nicht funktioniert hatte, war Gilbert hier aufgetaucht und hatte sich bis zur Bewusstlosigkeit betrunken und dazu unaufhörlich geweint.
Es bestand durchaus die Gefahr, dass Achmed auf beiden Seiten des Zauns spielte, und so fragte Müller kühl: »Irgendetwas, was ich wissen sollte? Irgendein Sender an dir, ein Mikro, irgendein faules, mistiges Stück Elektronik?«
»Ich bin clean«, antwortete Achmed grinsend.
Noch eine ganze Zeit lang, nachdem Müller Achmed angeworben hatte, hatte er ihn jedes Mal in einem Nebenraum gründlich abgeklopft. Unweigerlich hatte Achmed dabei in den höchsten Tönen gewimmert: »Gott, meine Eier!« Seit vier Treffen hatte Müller auf die Untersuchung verzichtet, hatte Achmed dadurch mehr Bedeutung gegeben, mehr Gleichheit, durchaus mehr Freundschaft.
»Lass uns gehen«, sagte er, und sie begannen, durch den Basar zu schlendern. »Was treiben deine Söhne?«
»Das meiste erfahre ich nie«, sagte Achmed. »Aber sie sind gut, gute Typen, weißt du.«
»Und wollen sie nach wie vor Medizin studieren?«
»Na ja, der Ältere schon. Der Jüngere will mehr Richtung Jura. Soll mir recht sein. Und wie geht es deiner Anna-Maria?«
»Gut, sehr gut. Sie hat mir eine Freundschaftskette mitgegeben aus roten und blauen Perlen. Ich muss sie tragen, sonst kriege ich Prügel.« Er streifte den Ärmel seines Jacketts zurück. »Melanie arbeitet weiter in der Bank, verdient gute Kohle.«
»Und die Eltern?«
»Mein Vater liegt im Krankenhaus. Schlaganfall. Das ist nicht gut, das ist beschissen. Sie können nicht sagen, ob er überlebt.«
Achmed tänzelte einen Schritt zur Seite und sah ihn an. »Du bist stinksauer auf den Vater, nicht wahr?«
»Ja, bin ich irgendwie. Wir haben über so viele Sachen nicht gesprochen. Es passiert plötzlich, weißt du, und du denkst, das kann er doch nicht bringen, nicht jetzt und von heute auf morgen. Aber so läuft das.« Er dachte zufrieden: Achmed ist hochkonzentriert, er riecht so was, Achmeds Einfühlungsvermögen ist grandios.
Sie schlenderten am Chez Gilbert vorbei, und Müller sah aus den Augenwinkeln, dass der Tisch, an den er gedacht hatte, frei war. Es war ein Tisch für zwei Personen unmittelbar an der schaufenstergroßen Scheibe zur Straße hin. Das war gut.
Dann entdeckte er an der Scheibe ein schwarzes, kreisförmiges Gerät, nicht größer als fünf Zentimeter im Durchmesser. Ein dünner
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