Ein guter Mann: Roman (German Edition)
besser. Einer wollte sofort mein Geschäftsführer werden, und ein anderer sagte mir nach zweiundsiebzig Stunden, mein Wissen sei schon sehr beschränkt für eine eigene geschäftliche Existenz. Und sie alle nahmen mein Geld.«
»Sie haben dich ausgenützt, oder?«
»Allerdings.« Karen lachte. »Glaubst du, du kannst heute Abend vorbeikommen?«
»Ja, irgendwie wird das gehen. Ich rufe dich an.«
Er unterbrach die Verbindung und wollte ins Haus gehen, als Krause sich meldete.
»Ich weiß, es ist nahezu zynisch. Aber ich brauche Sie eine halbe Stunde. Wir haben etwas Merkwürdiges entdeckt.«
»Ich werde gern abgelenkt, das ist schon in Ordnung«, erwiderte er.
Es war wie eine Wiederholung. Krause, wie immer gemütlich wirkend, an seinem Schreibtisch, hinter ihm Goldhändchen mit der Fernbedienung, auf der anderen Seite des Tisches Willi Sowinski.
Sie standen alle drei auf und gaben ihm die Hand. Sie murmelten: »Mein Beileid«, und Müller wollte dem verlegen ausweichen und sagte: »Es ist schon gut.«
»Wir haben etwas, was Sie erstaunen wird«, sagte Krause. »Aber Sie müssen es wissen, damit wir möglicherweise in dieser Sache weiterkommen. Hatte Achmed jemals Verbindung zu Russen?«
»Nein«, antwortete Müller. »Klar, Russen sind in Syrien, vor allem in Verbindung mit Waffenlieferungen. Auch russische Agenten sind im Lande. Aber Achmed selbst und Russen? Nie.«
»Was ist mit diesem Onkel Hussein?«, fragte Willi Sowinski.
Müller überlegte einen Augenblick. »Onkel Hussein ist ein Strippenzieher mit dem Segen von ganz oben. Ich gehe davon aus, dass er Russen kennt, Verbindungen zu ihnen hat. Aber Achmed hat niemals einen bestimmten Russen erwähnt. Daran würde ich mich erinnern.«
»Dann passen Sie jetzt mal gut auf«, sagte Krause. »Was Sie sehen, ist ein Fußgängerüberweg am Europacenter, an der Gedächtniskirche.«
»Polizeikamera?«, fragte Müller.
»Ja«, nickte Goldhändchen. »Aufgenommen heute Mittag, vierzehn Uhr fünfzig.«
Es war ein Schwarzweißvideo. Achmed war gut zu sehen in der ersten Reihe der Fußgänger, die auf Grün warteten. Dann gingen sie los. Nach einem Schritt schon drehte Achmed sich um und verharrte eine Sekunde. Links und rechts von ihm tauchten junge Männer auf, mit denen er lebhaft und offensichtlich freundschaftlich sprach. Dann drehte er den Kopf und redete zu zwei weiteren jungen Männern, die hinter ihm gingen.
»Stopp! Stehen lassen!«, sagte Krause.
Das Bild stand.
Offensichtlich waren die fünf jungen Leute gut gelaunt, sie lachten über irgendetwas. Achmed trug Jeans, Sportschuhe und ein einfaches weißes T-Shirt ohne Aufdruck. Die Kleidung der anderen Männer war ähnlich einfach. Allerdings fiel bei ihnen auf, dass sie schwere Halsketten trugen.
»Kenne ich nicht«, sagte Müller. »Keinen von ihnen. Nie gesehen.«
»Das glaube ich«, entgegnete Sowinski.
»Es sind Russen«, erklärte Krause. »Aber ganz besondere Russen. Es sind Mitglieder der Dolgoprudnenskaya-Gruppe. Nennen wir sie Dolgos, damit wir uns nicht die Zungen zerbrechen. Prostitution, Drogenhandel, Auftragsmorde, Raubüberfälle. Die Gruppe ist groß. Man schätzt sie insgesamt auf mehr als zweihundert Mitglieder, und sie ist bekannt für besonders brutales Vorgehen. Ihr Auslandssitz Nummer eins ist Berlin.«
Eine Weile sagte niemand etwas.
»Das verwirrt mich«, kommentierte Müller. »Nein, es überwältigt mich. Achmed war für mich niemals ein Gesetzesbrecher. Was er mit diesen Leuten zu tun hat, verstehe ich nicht.«
»Nehmen wir mal Bargeld an«, bemerkte Sowinski trocken.
»Also, jemand besorgt Achmed ein gefälschtes Visum und lässt ihn über Kairo nach Berlin fliegen. Und hier bringt er ihn zusammen mit einer Hand voll der schärfsten Gangster, die man sich vorstellen kann. Lieber Karl Müller, was fällt Ihnen dazu ein?« Krause drehte seinen Stuhl leicht hin und her.
»Nichts«, antwortete Müller.
Sowinski sah ihn eindringlich an, lächelte kurz und stellte fest: »Das ist unter diesen Umständen zu akzeptieren.«
»Ich habe aber Fragen«, sagte Müller. »Ich wiederhole die Frage, wie denn Achmed von Damaskus nach Kairo gekommen ist. Und ich habe die Frage, ob man über die Dolgos die Frage klären könnte, wo zum Teufel Achmed in Berlin untergekrochen ist.«
»Frage eins können wir immer noch nicht beantworten. Unserer Meinung nach muss Achmed auf privatem Weg nach Kairo gekommen sein. Sprich: mit einer privaten Maschine. Wir haben vier
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