Ein gutes Herz (German Edition)
hinauf. Dann noch drei. Eine Hand drückte meinen Kopf nach unten, offenbar war der Eingang niedrig, und ich betrat einen Transportbus oder irgendetwas in der Art. Der Boden federte unter uns. Es war also kein richtiger Bus. Eher ein Kleintransporter. Die Hände bugsierten mich auf eine Sitzbank. Ich ließ mich nieder. Hart. Metall. Sie zerrten an meinen Fußgelenken und ketteten mich am Boden fest. Es saß sich nicht gut mit auf den Rücken gebundenen Händen. Aber Nouria sang in mein Ohr.
Meine Bewacher verließen den Wagen, unter ihren Schritten federte der Boden wieder. Ich wartete. Ich hörte das Zündrädchen von einem Feuerzeug.
»Du auch eine?«, fragte René.
»Nein.« Das war zu kurz, um die Stimme zu identifizieren. Abdul? Das war ein marokkanischer Wärter. Ein Abtrünniger. Er würde in der Hölle brennen.
Ich roch Renés Zigarette. Sonst geschah nichts.
Dann Schritte, drei oder vier Leute näherten sich. Weitere Mitfahrer. Wieder schaukelte der Wagen leicht, als sie einstiegen. Jemand nahm mir gegenüber Platz.
»Kommst du mit?«, hörte ich jemanden fragen.
»Nein. René und Abdul machen den Transport«, lautete die Antwort.
Das war Ludi, das Schwein aus Den Bosch.
»Alles Gute, Kichie«, sagte das Schwein.
»Danke, Ludi. Du hast mich immer korrekt behandelt. Vielleicht komme ich zurück, vielleicht nicht. Du weißt jedenfalls, dass ich dich immer geschätzt habe.«
»Du warst sehr pflegeleicht, Junge. Schade, dass du Insasse warst. Sonst wären wir vielleicht Kumpel geworden.«
Das Schwein verließ den Wagen. Zwei Türen wurden geschlossen. Schritte von René und Abdul, die um das Fahrzeug herumgingen. Der Motor wurde schon angeworfen, bevor sie sich gesetzt haben konnten, es war also offenbar noch ein Fahrer da. Eine Hupe war zu hören. Nicht von uns. Eine zweite Hupe. Eine dritte. Und dann das Knattern von Motorrädern. Polizeimotorrädern. Wow, wir wurden von Motorradjuden eskortiert. Eine Karawane mit mir und Kichie – das war natürlich Kicham Ouaziz, der Unterweltmocro – als Königspaar.
Ich hatte Kichie schon mal gesehen. Er sah eher wie ein Professor aus als wie ein Killer. Doppelmord an anderen Unterwelttypen. Auch ein abtrünniger Hund. Ein kleiner Mann mit schmalem Berbergesicht. Brille mit Goldgestell. Kurzes, krauses Haar. Hände, mit denen er nie in der Erde gearbeitet hatte. Die Erscheinung eines einnehmenden Gelehrten. Konnte dich erwürgen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Der Wagen beschleunigte. Ich konnte nichts sehen, schade, hätte gerne die ganzen Blaulichter gesehen, die uns zujubelten. Ja, zujubelten. Das hier war anders als sonst. Das war eine Fahrt in die Freiheit.
»Na, Mo«, hörte ich Kichie sagen.
»Na, Kichie.«
»Du hast gut zugehört.«
»Er hat klar und deutlich deinen Namen gesagt…«
»Hast du ja gut hingekriegt.«
»Ich brauche nichts hinzukriegen. Hab längst alles geschafft.«
»Bis du mit siebzig das Zeitliche segnest. Oder vielleicht schon früher, wenn du Massel hast und krank wirst.«
»Ich bin glücklich.«
»Wie die Fliege, die ich totschlage, ja.«
»Worin sitzen wir?«
»Sieht von außen wie ein kleiner Kühlwagen aus. Dicke Wände. Schwere Räder. Ein gepanzerter Truck.«
»Viele Begleitfahrzeuge?«
»Zwei Polizisten mit Motorrad und ein BMW der Siebener-Reihe vor uns. Hinter uns noch so ein BMW und ein schicker Mercedes, ein SUV .«
»Wir sind wichtig.«
»Du. Ich nicht.«
»Wohin fahren wir?«
»Schiphol.«
Nouria, hast du gehört? Nouria, hast du den Gesang der Engel gehört? Oder warst du das selbst, Nouria?
Ich wiederholte: »Schiphol?«
»Schiphol«, bestätigte der Abtrünnige.
»Warum?«
»Es gibt offenbar Leute, die uns dort haben wollen.«
»Wer?«
»Keine Ahnung.«
»Erzähl mir, was passiert ist.«
Der Abtrünnige blieb eine Weile stumm. Fragte sich natürlich, ob es schaden konnte, wenn er mir sagte, was Ludi ihm erzählt hatte.
»Heute Nachmittag ist ein Flugzeug gekapert worden. Und zwei oder drei Stunden vorher gab es eine Explosion in der Stopera. Und jetzt fahren wir nach Schiphol.«
Abu Khaled, mein Führer und Inspirator, der syrische Scheich, der mir den Weg zu Theo der Bestie gewiesen hatte, war zurückgekehrt, um mich zu holen und mit mir als Gefährten in den Kampf zu ziehen. Ich durfte meinen Dschihad vollenden. Ich würde in den Bergen Asiens als Märtyrer sterben, anstatt hier in den Kerkern der Ungläubigen zu darben. Sie würden uns natürlich gegen die Passagiere und die Besatzung
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