Ein gutes Omen
unerforschte spiritistische Gelände
verliehen ihren Séancen das gewisse Etwas. Sie hatte es Newt erklärt. Der
Hexensucher-Gefreite begriff sofort, daß sie nur wenig von Geronimo wußte (besser
gesagt: nichts), aber er brachte es einfach nicht über sich, sie darauf
hinzuweisen.
»Oh«, quiekte
Julia, »freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen!«
»Ist mein Ron
da, Geronimo?« fragte Mrs. Ormerod.
»Hau, Squaw
Beryl«, erwiderte Madame Tracy. »Oh, vor der Tür meines, ähm, Wigwams warten,
ähm, viele verlorene Seelen, ähm. Vielleicht gehört Ron, ähm, zu ihnen. Hau.«
Madame Tracy
hatte längst gelernt, daß es wenig ratsam war, Ron gleich zu Beginn der Sitzung
sprechen zu lassen. Andernfalls verbrachte Beryl Ormerod den Rest der Séance
damit, ihrem verstorbenen Gatten von den neuesten familiären Ereignissen zu
berichten, was meistens viel Zeit in Anspruch nahm. (»Nun, Ron, du erinnerst
dich sicher an Sybilla, die jüngste Tochter unseres Eric, tja, du würdest sie
nicht wiedererkennen, sie beschäftigt sich jetzt mit Macramee, mit
Knüpfarbeiten, du weißt schon, und unsere Letitia, Karens Älteste, ist
Lesbierin geworden, aber daran gibt es heutzutage nichts auszusetzen, sie
schreibt gerade ihre Dissertation über Sergio Leones Filme, aus einem
feministischen Blickwinkel gesehen, und unser Stan, Sandras Zwillingsbruder,
ich habe dir schon beim letzten Mal von ihm erzählt, er hat den
Pfeilwurfwettkampf gewonnen, was uns alle sehr freut, denn wir hielten ihn für
eine Art Muttersöhnchen, außerdem sind die Regenrinnen am Schuppen locker, aber
ich habe bereits mit Cindis neuestem Freund gesprochen, der sich mit solchen
Sachen auskennt, und er hat zugesagt, am nächsten Sonntag vorbeizukommen und
sich darum zu kümmern, oooh, das erinnert mich an …«)
Nein, Beryl
Ormerod mußte sich noch etwas gedulden. Draußen blitzte es, und Donner grollte
in der Ferne. Madame war so stolz, als hätte sie selbst für diese okkulten
Spezialeffekte gesorgt. Es war sogar noch besser als die Kerzen, wenn es darum
ging, ein Ambulanz zu
kreieren. Ambulanz war bei
einer Séance besonders wichtig.
»Nun …«,
sagte Madame Tracy mit Madame Tracys Stimme. »Mister Geronimo wüßte gern, ob
ein gewisser Mister Scroggie zugegen ist.«
Mister
Scroggies Augen glänzten wäßrig. »Ah, nun, das ist mein Name«, erwiderte er.
»Jemand möchte
Sie sprechen.« Mr. Scroggie nahm schon seit einem Monat an den wöchentlichen
Séancen teil, und bisher hatte sich Madame Tracy vergeblich gefragt, welche Botschaft
aus dem Jenseits sie ihm anbieten sollte. Jetzt hielt sie den Zeitpunkt für
gekommen, ihm ebenfalls einen Blick hinter den Schleier zu gewähren. »Kennen
Sie jemanden, der John heißt?«
»Nein«,
erwiderte Mr. Scroggie.
»Nun,
vielleicht haben wir es hier mit okkulten Interferenzen zu tun. Der Name könnte
auch Tom lauten. Oder Jim, oder, äh, Dave.«
»Ich kannte
einen Dave, als ich noch in Hemel Hempstead wohnte«, erwiderte Mr. Scroggie. Es
klang ein wenig skeptisch.
»Ja, Geronimo
sagt Hemel Hempstead, genau das sagt er«, behauptete Madame Tracy.
»Aber letzte
Woche bin ich ihm zufällig begegnet«, murmelte Mr. Scroggie verwirrt. »Er
führte seinen Hund aus und schien völlig gesund zu sein.«
»Er läßt Ihnen
mitteilen, es sei alles in Ordnung mit ihm, und im Jenseits fühle er sich
richtig wohl«, fuhr Madame Tracy fort. Sie vertrat den Standpunkt, es sei in
jedem Fall besser, ihre Kunden mit guten Nachrichten zu erfreuen.
»Sagen Sie Ron,
daß ich ihm von der Hochzeit unserer Krystal erzählen muß«, drängte Mrs.
Ormerod.
»Oh, das werde
ich, Teuerste. Bitte warten Sie einen Augenblick, ich empfange gerade etwas …«
Und dann
empfing sie tatsächlich etwas. Es ließ sich in Madame Tracys Kopf nieder und
blickte aus ihren Augen.
»Do
you speak English?« fragte es mit
Madame Tracys Mund. »Sprechen Sie Deutsch? Parlez-vous
Français? Wo bu hui jiang zhongwen?«
»Bist du das, Ron?« erkundigte sich Mrs. Ormerod. Die Antwort klang
recht mürrisch.
»Nein.
Ich bin es nicht. Allerdings:
Eine so dämliche Frage kann nur in einem Land dieses gottverlassenen Planeten
gestellt werden, von dem ich während der vergangenen Stunden mehr gesehen habe,
als mir lieb ist. Um es noch einmal zu betonen, werte Dame: Mein Name lautet
keineswegs Ron.«
»Nun, ich möchte mit Ron Ormerod reden«, entgegnete Mrs. Ormerod
stur. »Er ist recht klein und hat eine Glatze. Könnten Sie ihn bitte durchstellen?«
Kurze
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