Ein gutes Omen
Tor.
Mr. Young
musterte die verdutzten Anwesenden. Crowley und Erziraphael waren zumindest
geistesgegenwärtig genug, um ihre Schwingen zu falten und unter den Resten der
Mäntel zu verstecken.
»Was hat er
jetzt wieder angestellt?« Mr. Young seufzte und erwartete eigentlich gar keine
Antwort.
»Wo steckt der
Junge? Adam! Komm sofort hierher!«
Adam gehorchte
seinem Vater nur selten.
Sergeant Thomas A.
Deisenburger schlug die Augen auf. Die Umgebung erschien ihm seltsam, weil sie
viel zu vertraute Eindrücke weckte: das große Schulfoto an der Wand, die kleine
amerikanische Flagge im Becher direkt neben der Zahnbürste, ein kleiner
Teddybär in Uniform. Das Licht der frühen Nachmittagssonne strahlte durchs
Zimmerfenster.
Er roch
Apfeltorte. Ein Aroma, das er während seines Dienstes in Europa sehr vermißt
hatte. Besonders an langen, meistens einsamen Samstagabenden dachte er voller
Wehmut daran zurück.
Er ging nach
unten.
Seine Mutter
stand am Herd und zog gerade einen großen Apfelkuchen aus dem Backofen.
»Hallo, Tommy!«
sagte sie. »Ich dachte, du bist in England.«
»Ja, Mom«,
bestätigte Sergeant Thomas A. Deisenburger. »Ich bin tatsächlich in England
stationiert, Mom. Ich verteidige dort die Demokratie, Mom, Sir.«
»Fein, fein,
Tommy«, sagte Mutter. »Dein Paps ist auf dem Feld, zusammen mit Chester und
Ted. Es wird sie bestimmt freuen, dich wiederzusehen.«
Sergeant Thomas
A. Deisenburger nickte.
Er nahm den
militärischen Helm ab und zog die militärische Jacke aus, rollte dann die
militärischen Ärmel des militärischen Hemds hoch. Mehrere Sekunden lang wirkte
er nachdenklicher als jemals zuvor in seinem Leben. Einige seiner Gedanken
galten leckerem Apfelkuchen.
»Mom, wenn aus
irgendwelchen Gründen jemand mit dem Sergeant Thomas A. Deisenburger
telefonisch in Verbindung treten will, Mom, Sir, dann sag diesem jemand …«
»Wie bitte,
Tommy?«
Tom
Deisenburger hängte sein Gewehr an die Wand, neben die alte Flinte seines
Vaters.
»Ich meine,
wenn jemand anruft, Mom … Ich bin draußen auf dem Feld, bei Paps, Chester
und Ted.«
Der Lieferwagen fuhr
langsam zum Tor des Luftwaffenstützpunkts und hielt an. Der Wächter sah durchs
Seitenfenster, prüfte einen Ausweis und hob den Schlagbaum.
Der Transporter
rollte über den Asphalt.
Er parkte an
der leeren Landebahn, in der Nähe von zwei Männern, die auf dem Boden saßen und
eine Flasche Wein tranken. Einer von ihnen trug eine dunkle Sonnenbrille,
obwohl nur Sterne am Himmel leuchteten. Seltsamerweise schenkten ihnen die
Soldaten überhaupt keine Beachtung.
»Soll das
heißen, Er hat alles so geplant, von Anfang an?« fragte Crowley.
»Möglich«,
antwortete Erziraphael. »Ja, durchaus möglich. Wir könnten uns bei Ihm
erkundigen, um ganz sicher zu sein.«
»Nun, wenn ich
mich recht entsinne …«, begann Crowley. »Ich, äh, habe nur selten mit Ihm
gesprochen. Praktisch nie. Außerdem gehört Er nicht zu den Leuten, die eine
klare Antwort geben. Eigentlich, eigentlich gibt er überhaupt nie eine Antwort.
Er lächelt nur immer, so
als wisse Er etwas, was du nicht weißt.«
»Genau das ist
der Fall«, sagte Erziraphael. »Ich meine, Er muß mehr wissen. Sonst hätten
viele Dinge plötzlich keinen Sinn mehr.«
Sie schwiegen,
starrten nachdenklich ins Leere und gaben sich längst vergessen geglaubten
Erinnerungen hin.
Der
Lieferwagenfahrer stieg aus, wobei er einen Karton und eine Zange mitnahm.
Einige Meter
entfernt lagen zwei Gegenstände auf der Landebahn: eine dunkel angelaufene
Metallkrone und eine Waage. Der Mann hob sie mit der Zange auf und legte sie in
den Karton.
Dann näherte er
sich Erziraphael und Crowley.
»Entschuldigen
Sie bitte«, sagte er. »Hier sollte auch irgendwo ein Schwert herumliegen, das
steht jedenfalls in meinem Frachtbrief, und ich dachte, vielleicht können Sie
mir Auskunft geben …«
Erziraphael
murmelte ein verlegenes »Oh«, sah sich verwirrt um, stand auf und stellte fest,
daß er rund eine Stunde lang auf dem Schwert gesessen hatte. Er bückte sich und
deponierte die Klinge im Karton. »Verzeihung.«
Der
Lieferwagenfahrer – auf seiner Mütze stand ›Internationaler Expreßdienst‹ –
winkte ab und meinte, es sei alles in bester Ordnung. Er fügte hinzu, er halte
es für einen wahren Glücksfall, daß er Erziraphael und Crowley hier antreffe,
denn jemand müsse den Abholschein unterschreiben, die übliche Bürokratie,
wissen Sie, und dies ist wirklich ein denkwürdiger Tag
Weitere Kostenlose Bücher