Ein gutes Omen
musterte
Adam nachdenklich. »Ich nehme an, du kennst dich in dieser Gegend gut aus,
stimmt’s?« fragte sie.
»Ich kenne sie
wie meine Westentasche«, erwiderte Adam.
»Hast du
zufällig zwei Männer in einem großen schwarzen Wagen gesehen?« erkundigte sich
Anathema.
»Haben die das
Buch gestohlen?« Aufregung zitterte in Adam. Es mochte interessant sein, den
Rest des Tages damit zu verbringen, nach einer internationalen Bande von
Buchdieben zu fahnden.
»Nun, in
gewisser Weise. Ich meine, eigentlich nicht. Sie wollten zum Gutshof, aber ich
bin heute dort gewesen und habe erfahren, daß sie nie dort ankamen. Dafür erschien
die Polizei. Offenbar kam es auf dem Anwesen zu einem Zwischenfall.«
Anathema
starrte Adam verwirrt an. Irgend etwas an ihm erschien ihr seltsam, aber sie
konnte nicht feststellen, worum es sich handelte. Dennoch verdichtete sich ihr
Eindruck, daß er wichtig war, daß sie ihn nicht einfach gehen lassen durfte. Was
ist so sonderbar an ihm?
»Wie heißt das Buch?« fragte Adam.
»Die
Freundlichen und Zutreffenden Prophezeiungen der Agnes Spinner«, sagte Anathema.
»Was, das Buch
stammt von einer Spinne?«
»Nein, von
einer Hexe«, berichtigte Anathema. »Hexe«, wiederholte sie. »Wie in Macbeth.«
»Hab’s im
Fernsehen gesehen«, sagte Adam. »Tolle Sache, mit den Königen und so.«
Ja, dieser
Junge war wirklich seltsam. Eine Art zurückhaltende Intensität ging von ihm
aus. Wenn er in der Nähe weilte, hatte man das Gefühl, alles andere werde zum
Hintergrund, zu reiner Kulisse.
Anathema befand
sich seit einem Monat in Tadfield. Abgesehen von Mrs. Henderson (angeblich
kümmerte sie sich ums Haus; Anathema zweifelte jedoch nicht daran, daß die
Putzfrau ihr Interesse hauptsächlich auf den Inhalt von Schubladen, Schränken
und dergleichen richtete) hatte sie mit kaum jemandem mehr als nur einige
wenige Worte gewechselt. Sie gab sich als Malerin aus. Tadfield verlangte
geradezu nach pinselschwingenden Künstlern …
… Eine
reizvolle Landschaft, ja. In unmittelbarer Nähe des Ortes war sie wunderbar.
Wenn Turner und Landseer Samuel Palmer in einem Pub getroffen, sich mit ihm
abgesprochen und anschließend Stubbs gebeten hätten, die Pferde zu malen – dann
wäre ein Bild entstanden, das zumindest einen Teil der hiesigen Realität
einfing.
Kummer folgte
diesen Überlegungen, denn hier sollte das Armageddon beginnen. So hatte es Agnes geschrieben. In
einem Buch, das ich verloren habe, dachte
Anathema mit wiedererwachender Verzweiflung. Natürlich blieben ihr die
Karteikarten, aber sie hielten keinem Vergleich mit dem Buch stand.
Wenn Anathema
zu jenem Zeitpunkt im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen wäre (und
niemand war im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, wenn Adam in der Nähe
weilte), hätte sie sicher folgendes bemerkt: Wann immer sie versuchte, mehr als
nur oberflächliche Überlegungen auf den Jungen zu konzentrieren, perlten ihre
Gedanken ab wie Wasser von einer Ente.
»Donnerwetter!«
sagte Adam, der über die mögliche Bedeutung eines Buches mit freundlichen und
zutreffenderen Prophezeiungen nachgedacht hatte. »Es teilt einem mit, wer die
nächste Fußballmeisterschaft gewinnt?«
»Nein«,
erwiderte Anathema.
»Werden
irgendwelche Raumschiffe erwähnt?«
»Nicht viele«, sagte
Anathema.
»Roboter?«
fragte Adam hoffnungsvoll.
»Tut mir leid.«
»Nun, scheint
kein sehr interessantes Buch zu sein«, kommentierte Adam. »Ich weiß nicht, was
es mit der Zukunft zu tun haben soll, wenn darin weder Raumschiffe noch Roboter
beschrieben werden.«
Die
Zukunft hat gar keine Zeit, Raumschiffe und Roboter zu entwickeln, dachte Anathema betrübt. Es liegt daran,
daß die Zukunft nur noch drei Tage lang ist.
»Möchtest du eine Limonade?«
Adam zögerte –
und rang sich dazu durch, den Stier an den Hörnern zu packen.
Ȁh,
entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihnen eine persönliche Frage stelle, aber
sind Sie eine Hexe?« brachte er hervor.
Anathema kniff
die Augen zusammen. Soviel zur überhaupt nicht neugierigen Mrs. Henderson.
»Manche Leute
würden mich so nennen«, räumte sie ein. »Eigentlich bin ich Okkultistin.«
»Oh, gut«,
sagte Adam und lächelte wieder. »Dann ist ja alles in bester Ordnung.«
Anathema maß
den Jungen mit einem aufmerksamen Blick.
»Weißt du, was
eine Okkultistin ist?« erkundigte sie sich.
»Klar,
natürlich«, entgegnete Adam zuversichtlich.
»Nun, wenn’s
dich beruhigt …« Anathema stand auf. »Komm! Ich habe
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