Ein Hauch Vanille (German Edition)
zur Zimmertür wanderte, die sich gerade ein Stück öffnete. Wenn jetzt
Michael hereinkommen würde, könnten wir uns auf etwas gefasst machen! Mir fiel
ein Stein vom Herzen, als ich Michi mit seinem kleinen Kissen im Arm, hinter
seinem Nuckel hervor grienen sah. Wieder einmal bat er bei mir schlafen zu
dürfen. Shane ignorierte er völlig und tat, als wäre es das normalste der Welt,
ihn in meinem Bett neben mir liegen zu sehen. Ich sah Shane an, der die Augen
verdrehte und sich demonstrativ zur anderen Seite umdrehte. Bevor ich mich
versah, lag Michi bereits zwischen uns und verschaffte sich mit seinem Allerwertesten
mehr Platz. Als er genug Abstand zwischen uns gebracht hatte, sah er Shane
siegessicher an.
„Das nächste Mal gewinne ich!“ prophezeite Shane ihm und lehnte sich über ihn
hinweg.
„Ich wäre ja lieber mit dir allein gewesen“, sagte er enttäuscht.
Unter der Bettdecke suchte ich nach seiner Hand und sah ihn noch lange an,
während Michi mir mit seinem Schädel die Sicht auf ihn zu versperren
versuchte.
„Er ist wirklich eifersüchtig, oder?“ amüsierte sich Shane gerade noch über
Michis Verhalten, der sich innig an mich kuschelte. Bis dieser ihm jetzt
lautstark entgegen pupste und dabei verächtlich kicherte. Entrüstet hob Shane den
Kopf. Seine Stirn lag komplett in Falten.
„Ich unterstelle ihm jetzt einfach mal Absicht!“
Fast hätte ich laut losgelacht, doch ich konnte mich gerade noch beherrschen.
Mit dem Sauggeräusch des Nuckels im Ohr, ließ ich den Tag Revue passieren.
Jedenfalls einen bestimmten Teil davon. Ob Robert schon sein erstes Mal hinter
sich hatte? Mit Sicherheit! Doch erzählt hatte er nichts. Unsere Verbindung war
längst nicht mehr so intensiv, wie sie einmal gewesen war. Wir hatten uns mit
der Zeit immer mehr voneinander entfernt. Nicht, dass wir uns böse gewesen
wären, es war auch nichts Besonderes vorgefallen. Er schloss nur einfach viel
leichter Freundschaften als ich, obwohl die meisten nur von oberflächlicher
Natur waren. Mir hingegen genügte eine Freundin, mit der ich dann allerdings alles
teilte.
Robert und ich waren einfach irgendwann jeder seiner Wege gegangen und das war
auch gut so.
Am
frühen Morgen weckte mich die Türklingel. Ich sah auf den Wecker. Acht Uhr. Dann
sah ich zur anderen Bettseite. Michi schlief noch, Shane war natürlich
verschwunden.
„Wer besitzt denn die Frechheit am Wochenende schon so früh zu klingeln?“
Schnell schlüpfte ich in meine Pantoffeln und den Bademantel. Während ich die
Treppenstufen eilig hinunter lief, band ich mir den Mantel zu. Vorsichtig
öffnete ich die Tür und linste durch die kleine Öffnung. Angst brauchte ich
nicht zu haben, denn die Nachbarn hätten auf jeden Fall eine detaillierte
Täterbeschreibung abgeben können. Hier hatte ein Fremder wirklich keine Chance
unbeobachtet zu bleiben. Ich war überrascht Marcus zu sehen, der einen
gehetzten Eindruck auf mich machte.
„Hat Shane noch etwas gefunden?“ fragte er nervös, von einem Bein auf das
andere tretend. Erst jetzt fiel mir das Reagenzglas in meiner Hosentasche siedend
heiß wieder ein. Hoffentlich war es heil geblieben.
„Ja hat er“, sagte ich und eilte sofort nach oben, um es aus meiner Hosentasche
zu holen. Erleichtert atmete ich auf, denn es war unversehrt. Vorsichtig
reichte ich es ihm. „Geht es ihr so schlecht?“ fragte ich bedächtig und hatte
ein wenig Angst vor der Antwort. Doch Marcus antwortete nicht, er war unfähig
zu reden. Tränen strömten in seine Augen, er bedankte sich schnell und eilte
mit einem kurzen Nicken zurück zum Wagen.
Jasmins
zweite Chemotherapie hatte sie so sehr geschwächt, dass sie es kaum noch allein
aus dem Bett schaffte. Zudem verlor sie immer mehr an Gewicht und nun auch
Büschelweise Haare. Sie fragte sich, ob sie diesen Kampf überhaupt noch
gewinnen konnte und gab die Hoffnung langsam auf. Zwei Jahre waren seit der
Diagnose vergangen und noch nie zuvor war ihr Zustand so ernst wie jetzt. Sie
magerte so sehr ab, dass die Ärzte Marcus rieten, sie ins Hospiz zu bringen.
Doch Marcus war nicht bereit sie gehen zu lassen, er klammerte sich an das
kleinste Fünkchen Hoffnung und wartete auf sein Wunder.
In der Vergangenheit hatten Shane und er, neben der Krankenhausversorgung, doch
immer irgendetwas gefunden
Weitere Kostenlose Bücher