Ein Hauch von Moder
Das sind Politiker, Adelige, Wissenschaftler…«
»Nimm den höchsten.«
»Er heißt Morton F. Hartford, ist über achtzig Jahre alt und lebt auf seinem Besitz nördlich von London.«
»Den sehen wir uns an.«
»Einverstanden.«
***
Die Gärtner hatten verdammt viel zu tun, um die Menge Laub aufzufegen, die sich auf dem gewaltigen Besitz der Hartfords im Herbst verteilte. Manche Stadt war nicht so groß wie das Grundstück der Familie Hartford, das wir durchrollten und dabei von über den Rasen kriechenden leichten Dunstschwaden begleitet wurden. Die Luft war kühler geworden, deshalb konnte sich der erste Nebel bilden.
Eine typisch englische Parklandschaft hatte uns aufgenommen. Links von uns galoppierten zwei Reiter über den Rasen, bevor sie im Schatten eines Waldes verschwanden.
Die Ruhe lag wie ein gewaltiges Tuch über dem Land der Familie, und sie bedeckte auch das gewaltige Haus, das schon mehr einem herrschaftlichen Schloß glich.
Wir waren beide beeindruckt. Suko nickte. »Ja«, sagte er, »das ist es.«
»Möchtest du so wohnen?«
»Für eine Woche.«
»Eben. Länger auch nicht.«
Das Anwesen badete in einer Ruhe, die auf mich schon störend wirkte. Alles wirkte perfekt.
Selbst große Saatkrähen flogen lautlos durch die Luft, ohne ihr Krächzen erklingen zu lassen.
Wie es sich gehörte, führten zwei Auffahrten vor den mächtigen Eingang des Gebäudes, wo auf den Stufen der Treppe liegende Blätter den allgemeinen Eindruck störten. Bestimmt würde bald ein Gärtner erscheinen und sie wegpicken.
Bisher waren wir über Asphalt gerollt. Vor dem Haus wechselte der Belag. Die Reifen des Rover mahlten über sehr feinen, hellen Kies. Ich bremste behutsam, damit nichts wegspritzte.
Ob unsere Ankunft bereits bemerkt worden war, konnten wir nicht sehen. Jedenfalls erschien niemand, um uns in Empfang zu nehmen. Wir stiegen das Treppenportal hoch, brauchten aber nicht zu klingeln, denn die Tür vor uns öffnete sich.
Ein Butler stand da.
Und wie der aussah. Ich hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. So steif, als wäre er aus der Gefriermaschine gekommen. Seine Augenbrauen saßen verschieden hoch. Wahrscheinlich hatte er sie zu oft bewegt. Er trug die gestreifte Kleidung der alten Diener und fragte nach unseren Namen.
»John Sinclair und Inspektor Suko. Wir sind bei Mr. Hartford angemeldet.«
Er nickte und gab dann eine gnädige Antwort. »Mr. Hartford erwartet Sie, Gentlemen. Sie haben sich um drei Minuten verspätet.«
»Wie nett«, grinste ich.
»Sie meinen?«
»Gehen Sie mal zum Auftauen, Mister.«
Erschreckt gab der vornehme Diener die Tür frei. Wir betraten eine Halle, deren Einrichtung uns den Atem verschlug.
Kostbare Möbel, alte Uhren, wertvolle Bilder in Blattgoldrahmen, ein sehr teurer Parkettboden, darauf die dünnen, chinesischen Seidenteppiche, das war schon was. Aber nichts für uns Normalverbraucher.
»Ich darf vorgehen, Gentlemen?« fragte der Butler.
»Sie dürfen.«
Er schwebte voran. Wir betraten einen breiten und sehr langen Flur, in dem die Stille einer Gruft herrschte. Die Türen bestanden jeweils aus zwei Hälften. Hier gab es keine Zimmer, nur Säle. Auf Morton F. Hartford war ich wirklich gespannt.
Vor einer dieser Türen, etwa in der Mitte des Ganges, blieb der Butler stehen. Dezent klopfte er an. Dreimal, wie es sich gehörte. Danach hörten wir einen Pfiff.
Der Butler nickte. »Mr. Hartford erwartet Sie.«
Suko und ich schauten uns an. Dieser Morton F. Hartford mußte wirklich zu den ungewöhnlichen Typen gehören, wenn er seine Zustimmung durch einen Pfiff bekanntgab.
Wir hatten mit allem gerechnet, waren so ziemlich auf alles vorbereitet gewesen, nur was wir tatsächlich sahen, das verschlug uns den Atem. Natürlich betraten wir wieder einen saalartigen Raum mit hohen, großen Fenstern. Möbel standen nur wenige darin. Es wäre auch kein Platz gewesen. Der größte Teil des Raumes wurde von einer gewaltigen elektrischen Eisenbahn eingenommen. Hinter der breiten Steuerzentrale saß Morton F. Hartford. Ein Computer half ihm, die vielen Züge gleichzeitig auf die Reise zu schicken.
Er hatte einen Heidenspaß, begrüßte uns mit dem Hochheben eines Arms und wieder durch einen Pfiff, denn die Signalpfeife steckte zwischen seinen Lippen.
Der Mann gefiel mir.
Er konnte auch reden, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.
»Kommen Sie näher, schauen Sie zu. Ich habe mir gestern noch den alten TEE gekauft. Der fährt ja nicht mehr. Aber bei mir ist er
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