Ein Hauch von Schmerz: Erotischer Roman (German Edition)
erste Botox-Opfer auf Leinwand gebannt, lange bevor es Schönheitsoperationen gab.«
Carly schüttelte grinsend den Kopf. »Was für eine verrückte These.«
»Steve Kendall gefiel meine Detailverliebtheit. Darum hat er mir die Praktikumsstelle angeboten.«
»Wie ist er so?«, fragte sie.
»Ein ruhiger Mensch, der sich für alles viel Zeit nimmt. Und jünger, als man erwarten würde. Er hat schon sehr früh Karriere gemacht.«
»Wie kamst du darauf, mich ihm als Model vorzuschlagen?«
»Zu meinen Aufgaben gehört unter anderem, nach interessanten Menschen Ausschau zu halten. Da kommt mir mein Job im Café sehr gelegen.«
Hatte Jonas am Ende nur als Modelscout Interesse an ihr? Das wäre jammerschade. Sie betrachtete sein Profil im Licht der entgegenkommenden Autos. »Und Mr. Kendall macht so spät am Abend noch Probeshootings?«
»Ich habe ihm so von dir vorgeschwärmt, dass er es kaum erwarten kann, dich zu sehen.«
Na, das hörte sich schon viel besser an. Trotzdem musste sie Jonas den Kopf waschen. »Du hättest mich fragen sollen, ob ich bereit bin, als Aktmodell zu arbeiten, bevor du ein Probeshooting vereinbarst.«
»Stimmt«, räumte er sofort ein. »Aber ich habe befürchtet, dann würdest du spontan Nein sagen.«
Sie tippte ihm an den Mundwinkel. »War das auch in deiner Serie?«
»Ja, ein entwaffnendes Lächeln war auch dabei.«
Carly sah wieder in die Nacht hinaus. Sie war aufgeregt. Kendall hatte auch Fetisch-Fotos gemacht, eine Serie, die »Schmerzlustschmerz« hieß und in Carlys Augen nur etwas für Hartgesottene war. Aber April hatte sich nicht daran sattsehen können.
Ach du je, hoffentlich werde ich nicht solche Posen einnehmen müssen.
Rein schauspielerisch gesehen wäre sie in der Lage, eine devote Frau darzustellen, aber sie wollte nicht als Lustsklavin fotografisch verewigt werden, egal wie hoch der künstlerische Anspruch der Bilder war.
»Ich habe klare Grenzen«, sagte sie vorsorglich.
»Kein Problem. Weißt du, es kommt Kendall vor allem auf den Gesichtsausdruck an. Wenn man seine Fotos genau studiert, sieht man, dass er zwar nackte Körper abbildet, aber dort, wo die Aufmerksamkeit des Betrachters hingelenkt wird, also im Goldenen Schnitt, befinden sich entweder die Augen oder ein in Szene gesetzter Körperteil. Er ist ein Ästhet.«
Jonas bog in eine Straße mit vornehmen, von hohen Mauern geschützten Häusern ein, hielt vor einem Tor und drückte die Taste einer Fernbedienung. Das Tor glitt zur Seite, und er fuhr die Auffahrt hoch. Er parkte hinter einem Jaguar.
Im nächsten Moment ging eine gleißend helle Außenbeleuchtung an.
Mr. Kendall öffnete die Haustür, als sie die breiten Eingangsstufen hochgingen.
»Hi, Steve«, sagte Jonas. »Ich bringe dir … ähm.«
Sie hatten die Tür erreicht, in der Mr. Kendall stand. »Du hast sie nicht nach ihrem Namen gefragt?«
Carly schätzte Kendall auf Mitte dreißig. Er hatte dichte blonde Haare und strahlende Augen, war gepflegt und gut gekleidet. Trotz seines herzlichen Lächelns wirkte er auf Carly einschüchternd. Sie stellte sich vor, wagte es aber nicht, ihm dabei die Hand zu reichen. Er schien das auch nicht zu erwarten. Die Augen immer auf sie gerichtet, sagte er: »Du hast das Abblendlicht angelassen, Jonas.«
»Oh, tatsächlich. Augenblick.« Jonas hastete die Stufen wieder hinunter.
Carly zwang sich, Kendalls forschendem Blick standzuhalten, auch wenn sie nicht besonders vorteilhaft aussah in ihrem alten Wollmantel, ungeschminkt und mit windzerzausten Haaren.
Nach ein paar Sekunden trat Steve Kendall einen Schritt zurück und bedeutete Carly, an ihm vorbei einzutreten. Jonas folgte kurz darauf. Sie befanden sich in einer Eingangshalle mit gewachstem, dunklem Holzboden. Die Möbel waren ein interessanter Mix: es gab eine antike Standuhr, eine Garderobe, die ein minimalistischer Designer ultramodern aus Edelstahl gestaltet hatte, und klassische, zeitlose Einzelstücke.
Steve Kendall nahm ihnen die Jacken ab und ging voraus durch eine Flügeltür ins Wohnzimmer mit deckenhohen Bücherregalen und einem Wintergarten. Auch hier standen Klassiker wie eine Corbusierliege neben Antiquitäten und extravaganten Möbeln.
Beleuchtet wurde der Raum von zahllosen Lampen, von denen jede Einzelne mehr Dunkelheit als Licht zu spenden schien. Alle zusammengenommen, verbreiteten sie jedoch eine angenehme Atmosphäre. In einem imposanten Kamin brannte ein Feuer.
Mit knappen Handbewegungen wies Kendall seinen Gästen ihre
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