Ein Hauch von Schnee und Asche
werden?
Er hatte sich in sein Kissen gelehnt und Augen und Mund geschlossen. Ohne die Augen zu öffnen, fragte er plötzlich: »Wisst Ihr, dass Euer Mann Peitschennarben trägt?«
Ich öffnete den Mund, um schnippisch zu erwidern, dass ich seit fast dreißig
Jahren mit Jamie verheiratet war – als mir klar wurde, dass diese Frage etwas über die Natur von Mr. Christies Vorstellungen von der Ehe verriet, über das ich lieber nicht allzu genau nachdachte.
»Ich weiß«, sagte ich stattdessen in aller Kürze mit einem Blick auf die offene Tür. »Warum?«
Christie öffnete die Augen, die etwas orientierungslos vor sich hinstarrten. Mit einiger Anstrengung richtete er sie auf mich.
»Wisst Ihr, warum?«, fragte er etwas gedehnt. »Was er getan hat?«
Ich spürte, wie mir um Jamies willen die Hitze in die Wangen stieg.
»In Ardsmuir«, sagte Christie und zeigte mit dem Finger auf mich. Er stocherte beinahe anklagend damit in der Luft herum. »Er hat ein Stück Tartanstoff getragen, aye? Verboten.«
»Aye?«, sagte ich automatisch, so verblüfft war ich. »Ich meine – aha?«
Christie drehte langsam den Kopf hin und her, so dass er wie eine große, betrunkene Eule aussah, deren funkelnde Augen vor sich hin starrten.
»Es war nicht seins«, sagte er. »Es gehörte einem Jungen.«
Er öffnete den Mund, um weiterzusprechen, doch zu seiner Überraschung kam nur ein leises Rülpsen heraus. Er schloss den Mund und blinzelte, dann versuchte er es noch einmal.
»Es war ein Akt außer … außergewöhnlicher … Selbstlosigkeit – und Tapferkeit.« Er sah mich an und schüttelte sacht den Kopf. »Nicht… nicht zu … begreifen.«
»Nicht zu begreifen? Wie er es angestellt hat, meint Ihr?« Ich wusste, wie, keine Frage; Jamie war so unverrückbar stur, dass er jeden Plan, den er fasste, auch zu Ende führte, ganz gleich, ob ihm die Hölle den Weg verstellte oder was immer ihm dabei zustieß. Aber so gut musste Christie ihn doch kennen.
»Nicht wie.« Christies Kopf wackelte ein wenig, und er richtete ihn mühsam wieder gerade. »Warum.«
»Warum?«, hätte ich gern geantwortet. Weil er ein verflixter Held ist, darum; er kann nichts dafür – aber das hätte nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Außerdem wusste ich ja nicht, warum Jamie es getan hatte; er hatte es mir nicht erzählt, und ich fragte mich, wieso.
»Er würde alles tun, um einen seiner Männer zu beschützen«, sagte ich stattdessen.
Christies Blick war ziemlich glasig, aber immer noch wach; er fixierte mich einige Sekunden lang wortlos, und die Gedanken wanderten langsam hinter seinen Augen entlang. Im Flur ächzte eine Diele, und ich lauschte auf Jamies Atmung. Ja, ich konnte sie hören, leise und regelmäßig; er schlief noch.
»Hält er mich für einen ›seiner Männer‹?«, fragte Christie schließlich. Seine Stimme war leise, aber voller Unglauben und Entrüstung. »Denn das bin ich nicht, das versisch-versischer ich Euch!«
Ich begann zu glauben, dass jenes letzte Glas Whisky ein schwerer Fehler gewesen war.
»Nein«, sagte ich seufzend und unterdrückte das Bedürfnis, die Augen zu schließen und mir die Stirn zu reiben. »Ich bin sicher, dass er das nicht tut. Wenn Ihr das hier meint -«, ich wies kopfnickend auf die kleine Bibel, »so bin ich mir sicher, dass es reine Freundlichkeit gewesen ist. Das hätte er auch für jeden Fremden getan – Ihr doch ebenfalls, oder nicht?«
Er atmete eine Weile schwer und funkelte vor sich hin, dann nickte er einmal mit dem Kopf und legte sich zurück, als sei er erschöpft – wozu er auch allen Grund hatte. Die Streitlust war so plötzlich von ihm gewichen wie die Luft aus einem Ballon, und er sah irgendwie kleiner aus und arg verloren.
»Es tut mir Leid«, nuschelte er leise. Er hob die verbundene Hand ein kleines Stück und ließ sie wieder fallen.
Ich war mir nicht sicher, ob er sich für seine Bemerkungen über Jamie entschuldigte oder für das, was er als mangelnde Tapferkeit seinerseits bei der Operation heute Morgen betrachtete. Ich hielt es jedoch für klüger, nicht nachzufragen, erhob mich und strich mir das leinene Nachthemd glatt.
Ich zog die Bettdecke ein Stück höher und glättete sie, dann blies ich die Kerze aus. Er war nur noch ein dunkler Umriss auf dem Kissen, sein Atem langsam und heiser.
»Ihr habt Eure Sache gut gemacht«, flüsterte ich und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. »Gute Nacht, Mr. Christie.«
Mein privater Barbar schlief, erwachte jedoch wie
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