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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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nicht verschlimmern würde.
    »Aber, Mr. Christie«, sagte ich. »Ich würde von niemandem erwarten, dass er still sitzt, während seine Hand auseinander genommen wird. Das wäre – das wäre einfach nicht menschlich!«
    Er warf mir einen raschen, brennenden Blick zu.
    »Nicht einmal Euer Mann?«
    Ich zwinkerte überrumpelt. Nicht so sehr von den Worten, als vielmehr von ihrem bitteren Tonfall. Roger hatte mir einiges von dem erzählt, was Kenny Lindsay über Ardsmuir gesagt hatte. Es war kein Geheimnis gewesen, dass Christie Jamie damals um seine Anführerposition beneidet hatte – doch was hatte das hiermit zu tun?
    »Warum sagt Ihr das?«, fragte ich leise. Ich ergriff seine verletzte Hand, dem Anschein nach, um den Verband zu überprüfen – eigentlich aber, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
    »Es ist doch wahr, aye? Die Hand Eures Mannes.« Sein bärtiges Kinn lugte mir streitlustig entgegen. »Er sagt, Ihr habt sie für ihn gerichtet. Er hat dabei nicht gezuckt und sich gewunden, oder?«
    Nun, nein, das hatte er nicht. Jamie hatte gebetet, geflucht, geschwitzt, geweint – und ein- oder zweimal geschrien. Aber er hatte sich nicht bewegt.
    Jamies Hand gehörte aber nicht zu den Dingen, über die ich mit Thomas Christie zu diskutieren bereit war.
    »Jeder Mensch ist anders«, sagte ich und sah ihn so direkt an, wie es ging. »Ich würde nie erwarten -«
    »Ihr würdet von keinem Mann erwarten, dass er sich so gut schlägt wie er. Aye, das weiß ich.«
    Die dumpfe Röte brannte jetzt wieder in seinen Wangen, und er senkte den Blick auf seine verbundene Hand. Die Finger seiner gesunden Hand waren zur Faust geballt.
    »Das habe ich nicht gemeint«, protestierte ich. »Ganz und gar nicht! Ich habe schon vielen Männern ihre Wunden genäht oder die Knochen gerichtet – die Highlander waren fast immer schrecklich tapfer dabei…« Den Bruchteil einer Sekunde zu spät wurde mir klar, dass Christie kein Highlander war.
    Ein tiefes Grollen kam aus seiner Kehle.
    »Highlander«, sagte er. »Hmp!« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran,
dass er gern auf den Boden gespuckt hätte, wenn er sich nicht in Gegenwart einer Dame befunden hätte.
    »Barbaren?«, sagte ich als Reaktion auf diesen Ton. Er funkelte mich an, und ich sah, wie sich sein Mund verzog, als auch ihm verspätet etwas klar wurde. Er wandte den Blick ab und holte tief Luft – ich roch den Whiskyschwall, als er ausatmete.
    »Euer Mann… ist… mit Sicherheit ein Gentleman. Er entstammt einer noblen Familie, auch wenn sie durch Verrat befleckt ist.« Die »r« in »Verrat« rollten wie Donner – er war wirklich völlig betrunken. »Aber er ist auch … auch …« Er runzelte die Stirn und suchte nach einem besseren Wort, dann gab er es auf. »Einer von ihnen. Das müsst Ihr als Engländerin doch wissen?«
    »Einer von ihnen«, wiederholte ich schwach belustigt. »Meint Ihr ein Highlander oder ein Barbar?«
    Der Blick, den er mir zuwarf, schwankte irgendwo zwischen Triumph und Verwunderung.
    »Das ist doch dasselbe, oder?«
    Ich fürchtete, dass er da Recht hatte. Mir waren zwar schon reiche, gebildete Highlander begegnet, wie Colum und Dougal MacKenzie – ganz zu schweigen von Jamies Großvater, dem verräterischen Lord Lovat, auf den sich Christie bezog -, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass jeder einzelne von ihnen die Instinkte eines freibeuterischen Wikingers besaß. Genauso wie Jamie, wenn ich ehrlich war.
    »Äh … nun, sie… haben einen Hang zum…«, begann ich schwach. Ich rieb mir die Nase mit dem Finger. »Nun, sie werden zu Kämpfern erzogen, denke ich. Ist es das, was Ihr meint?«
    Er seufzte tief und schüttelte schwach den Kopf, wobei ich den Eindruck hatte, dass dies kein Ausdruck des Widerspruchs war, sondern schlichter Widerwille dagegen, sich Gedanken über die Sitten und das Verhalten der Highlander zu machen.
    Auch Mr. Christie war gebildet, der Sohn eines ambitionierten Kaufmanns aus Edinburgh. Als solcher strebte er – geradezu schmerzhaft – danach, ein Gentleman zu sein, würde aber offensichtlich nie einen anständigen Barbaren abgeben. Ich konnte verstehen, warum ihm die Highlander Rätsel aufgaben und ihm über die Hutschnur gingen. Was für ein Gefühl es wohl sein musste, fragte ich mich, sich im selben Gefängnis mit einer Horde ordinärer, für seine Verhältnisse gewalttätiger, großspuriger katholischer Barbaren wiederzufinden und wie einer von ihnen behandelt – oder misshandelt – zu

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