Ein Hauch von Schnee und Asche
jetzt aus dem Versteck gerollt hatte. Der eine hatte bereits nach der Axt gegriffen, auf die ich es eigentlich abgesehen hatte, und war im Begriff, den Fassdeckel zu zertrümmern, als der schmächtige Mann ihn anschrie.
»Aufhören!«
Der Mann blickte zu ihm hoch und riss völlig verdattert den Mund auf.
»Ich sagte aufhören!«, schnappte der Schmächtige, als der andere den Blick verwirrt von dem Fass zur Axt und zurück wandern ließ. »Wir nehmen es mit; es kommt nicht in Frage, dass Ihr Euch jetzt alle besauft.«
Er wandte sich mir zu, und als nähme er ein Gespräch wieder auf, sagte er: »Wo ist der Rest?«
»Mehr haben wir nicht«, sagte Marsali, bevor ich antworten konnte. Sie sah ihn stirnrunzelnd an, argwöhnisch, aber auch voller Wut. »Dann nehmt es eben mit.«
Der schmächtige Mann richtete seine Aufmerksamkeit jetzt erstmals auf sie, warf ihr jedoch nicht mehr als einen beiläufigen Blick zu, bevor er sich wieder mir zuwandte.
»Macht Euch nicht die Mühe, mich anzulügen, Mrs. Fraser. Ich weiß sehr wohl, dass noch mehr da ist, und ich werde es bekommen.«
»Das stimmt nicht. Gib mir das, du Idiot!« Marsali entriss ihrem Gegenüber mit einem Ruck die Axt und sah den Schmächtigen finster an. »So revanchiert Ihr Euch also für den freundlichen Empfang – mit Diebstahl? Nun, dann nehmt Euch, weshalb Ihr gekommen seid, und geht!«
Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr Spiel mitzuspielen, obwohl in meinem
Kopf jedes Mal die Alarmglocken schlugen, wenn ich den schmächtigen Mann anblickte.
»Sie hat Recht«, sagte ich. »Überzeugt Euch selbst.« Ich wies auf den Schuppen und den Destillierapparat, der daneben stand, unverschlossen und eindeutig leer. »Wir beginnen gerade erst mit dem Mälzen. Es dauert noch Wochen, bis es eine neue Fuhre Whisky gibt.«
Ohne eine Miene zu verziehen, trat er rasch vor und schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht.
Der Schlag war nicht so fest, dass ich stürzte, doch mein Kopf fiel nach hinten und meine Augen tränten. Ich war mehr schockiert als ernstlich verletzt, obwohl ich einen scharfen Blutgeschmack im Mund hatte und ich bereits spüren konnte, wie meine Lippe anschwoll.
Marsali stieß einen kurzen Aufschrei des Schreckens und der Entrüstung aus, und ich hörte einige der Männer fasziniert und überrascht miteinander tuscheln. Sie waren jetzt so nah herangekommen, dass sie uns umzingelten.
Ich hielt mir den Handrücken vor den blutenden Mund und registrierte geistesabwesend, dass meine Hand zitterte. Doch mein Verstand hatte sich in sichere Entfernung zurückgezogen und schmiedete und verwarf seine Gedanken so schnell, dass sie wie Karten beim Mischen vorbeiflatterten.
Wer waren diese Männer? Wie gefährlich waren sie. Wie weit waren sie bereit zu gehen? Die Sonne ging unter – wie lange würde es dauern, bis man Marsali oder mich vermisste und uns jemand suchen kam? Würde es Fergus oder Jamie sein? Selbst Jamie, wenn er allein kam …
Ich hatte keinen Zweifel, dass dies dieselben Männer waren, die das Massaker an den Holländern verübt hatten und wahrscheinlich auch für viele weitere Überfälle verantwortlich waren. Gewaltbereit also – jedoch hauptsächlich auf Diebstahl aus.
Mein Mund schmeckte nach Kupfer; das Metallaroma von Blut und Angst. All diese Überlegungen hatten nicht mehr als eine Sekunde beansprucht, doch als ich jetzt den Kopf senkte, war ich zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste sein würde, ihnen zu geben, was sie wollten, und zu hoffen, dass sie unverzüglich mit dem Whisky verschwanden.
Ich bekam jedoch keine Gelegenheit, das zu sagen. Der schmächtige Mann packte mich am Handgelenk und verdrehte es brutal. Ich spürte, wie sich die Knochen unter dem durchdringendem Schmerz verschoben und nachgaben und sank im Laub auf die Knie, unfähig, mehr als ein leises, atemloses Geräusch auszustoßen.
Marsali reagierte mit einem lauteren Geräusch und setzte sich in Bewegung wie eine angreifende Schlange. Sie schwang die Axt aus der Schulter heraus, mit der ganzen Kraft ihres ausladenden Körpers, und die Klinge sank tief in die Schulter des Mannes, der ihr am nächsten stand. Sie zog sie heraus, und warmes Blut sprühte mir ins Gesicht und prasselte wie Regen auf das Laub.
Sie schrie laut und schrill, der Mann schrie ebenfalls, und dann war die ganze Lichtung in Bewegung, und die Männer stürzten mit dem Dröhnen brechender Brandung auf ihre Mitte zu. Ich machte einen Satz, packte die Knie des schmächtigen Mannes
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