Ein Hauch von Schnee und Asche
Rinde der Bäume und die Zweige der Büsche nach Kratzern absuchte und nach verräterischen … Haarbüscheln.
Auf der Seite des Pferdes, an der mein Haar hing, ging niemand. Hastig begann ich, mir Haare auszureißen. Drei, vier fünf – reichte das? Ich streckte die Hand aus und zog sie durch einen Ilexstrauch; die Bewegung des vorbeigehenden Pferdes ließ die langen, lockigen Haare im Wind wehen, doch sie blieben fest in den gezackten Blättern hängen.
Das wiederholte ich noch viermal. Er würde doch sicher wenigstens eins der Zeichen sehen und daran erkennen, welcher Spur er folgen musste – wenn er nicht Zeit damit verlor, zuerst einer der anderen zu folgen. Doch dagegen konnte ich nichts tun außer zu beten – und daran machte ich mich jetzt mit aller Hingabe, indem ich mit einer Fürbitte für Marsali und Monsieur l’Œuf begann, deren Not eindeutig sehr viel größer war als meine.
Wir bewegten uns eine ganze Weile weiter bergauf; es war vollständig dunkel, als wir etwas erreichten, was ein Berggipfel zu sein schien, und ich war halb bewusstlos, denn mein mit Blut gefüllter Kopf dröhnte, und mein Korsett drückte sich so fest in meinen Oberkörper, dass ich jede einzelne Fischbeinstange wie ein Brandzeichen auf meiner Haut spürte.
Mir blieb gerade noch die Energie, mich abzustoßen, als das Pferd stehen blieb. Ich landete als Häufchen Elend auf dem Boden, wo ich benommen sitzen blieb und mir die Hände rieb, die vom langen Hängen geschwollen waren.
Die Männer hatten sich zu einer kleinen Gruppe umeinander geschart und waren in ein leises Gespräch vertieft, doch zu dicht bei mir, als dass ich auch nur hätte daran denken können, ins Gebüsch davonzukriechen. Ein Mann stand in kurzer Entfernung von mir und behielt mich unablässig im Auge.
Ich spähte zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Halb fürchtete, halb hoffte ich, tief unten das Glühen eines Feuers zu sehen. Das
Feuer würde jemandem aufgefallen sein – inzwischen würde jemand wissen, was geschehen war, in diesem Moment Alarm schlagen, die Verfolgung organisieren. Und doch… Marsali.
War sie schon tot – und das Baby mit ihr?
Ich schluckte krampfhaft und blinzelte angestrengt in die Dunkelheit – um die Tränen zu unterdrückten, aber genauso in der Hoffnung, irgendetwas zu sehen. Doch die Bäume ringsum waren dicht gewachsen, und alles, was ich erkennen konnte, war Tintenschwärze in unterschiedlichen Schattierungen..
Es gab kein Licht; der Mond war noch nicht aufgegangen, und die Sterne waren noch blass – doch meine Augen hatten mehr als genug Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen, und ich war zwar keine Katze, die im Dunkeln sehen konnte, doch ich konnte genug wahrnehmen, um eine grobe Schätzung vorzunehmen. Sie diskutierten und blickten dann und wann in meine Richtung. Vielleicht ein Dutzend Männer … wie viele waren es ursprünglich gewesen? Zwanzig? Dreißig?
Ich ballte zitternd meine Finger zur Faust. Mein Handgelenk war übel mitgenommen, doch das war es nicht, was mir gegenwärtig Sorgen machte.
Mir war klar – und ihnen daher wahrscheinlich ebenfalls -, dass sie nicht direkt auf das Whiskyversteck zuhalten konnten, selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre, es bei Nacht zu finden. Ob Marsali nun überlebt hatte, um zu reden, oder nicht – ich spürte, wie mir dieser Gedanke die Kehle verschnürte -, Jamie würde wahrscheinlich begreifen, dass es die Eindringlinge auf den Whisky abgesehen hatten, und ihn bewachen lassen.
Hätten sich die Dinge anders entwickelt, hätten mich die Männer im Idealfall gezwungen, sie zum Versteck zu führen, den Whisky an sich gebracht und sich davongemacht, in der Hoffnung zu fliehen, bevor der Diebstahl entdeckt wurde. Hätten sie mich und Marsali am Leben gelassen, um Alarm zu schlagen?, fragte ich mich. Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Doch in der Panik, die auf Marsalis Angriff folgte, war der ursprüngliche Plan zunichte gemacht worden. Was nun?
Die Gruppe der Männer löste sich auf, obwohl der Streit weiterging. Schritte kamen näher.
»Ich sag’s euch, das geht nicht gut«, sagte einer der Männer erhitzt. Aus seiner belegten Stimme schloss ich, dass es der Gentleman mit der gebrochenen Nase war, der sich durch seine Verletzung nicht abschrecken ließ. »Erledigt sie jetzt. Lasst sie hier; eher werden die wilden Tiere ihre Knochen verstreuen, als dass sie jemand findet.«
»Aye? Und wenn niemand sie findet, werden sie denken, dass sie immer noch
Weitere Kostenlose Bücher