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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Mund, und pufften sich gegenseitig herum. Ich starrte einen von ihnen an, bis er meinen Blick erwiderte; er wurde leuchtend rot unter seiner dünnen Kinnbehaarung und wandte den Kopf ab.
    Zum Glück hatte das Hemd, das ich trug, Ärmel; es bedeckte mich vom Halsausschnitt bis zum Saum in der Mitte meiner Waden einigermaßen anständig, aber ich konnte nicht leugnen, dass ich mir unangenehm entblößt vorkam. Das Hemd war schweißfeucht und klebte schlaff an den Rundungen meiner Brüste – ein Gefühl, dessen ich mir nur zu bewusst war. Ich wünschte, ich hätte die Decke behalten.
    Die Männer umkreisten mich langsam, während sie die Pferde beluden, und ich hatte das deutliche und unerfreuliche Gefühl, das Zentrum dieser Masse zu bilden – ähnlich wie das Schwarze im Zentrum einer Zielscheibe. Ich konnte nur hoffen, dass ich derart alt und hutzelig aussah, dass mein aufgelöster Zustand sie abstieß, statt ihr Interesse zu wecken; mein loses Haar hing mir wild und verworren wie Hexenmoos um die Schultern, und
ich fühlte mich mit Sicherheit so, als hätte man mich zusammengeknüllt wie eine alte Papiertüte.
    Ich hielt mich kerzengerade im Sattel und funkelte jeden, der auch nur einen Blick in meine Richtung warf, unfreundlich an. Einer der Männer blinzelte mein nacktes Bein triefäugig und mit einem schwachen Ausdruck der Spekulation an – zuckte aber sichtbar zusammen, als er meinem Blick begegnete.
    Ich genoss ein kurzes Gefühl grimmiger Genugtuung – das auf der Stelle dem Erschrecken wich. Die Pferde hatten sich in Bewegung gesetzt, und als das meine gehorsam dem Mann vor mir folgte, kamen zwei weitere Männer, die unter einer großen Eiche standen, in Sicht. Ich kannte sie beide.
    Harley Boble zog gerade die Schnüre eines Packsattels fest und sprach mit finsterer Miene mit einem anderen, größeren Mann. Harley Boble war ein ehemaliger Diebesfänger, der jetzt offensichtlich ins Diebeslager übergewechselt war. Ein durch und durch widerwärtiger, kleiner Mann, der mir wohl kaum freundlich gesinnt war, was ich einem Zwischenfall verdankte, der sich vor einiger Zeit bei einem Gathering zugetragen hatte.
    Ich war alles andere als erfreut, ihn hier zu sehen, obwohl es mich keineswegs überraschte, ihn in solcher Gesellschaft anzutreffen. Doch es war der Anblick seines Begleiters, der mir meinen leeren Magen verdrehte und meine Haut zucken ließ wie die eines von Fliegen geplagten Pferdes.
    Mr. Lionel Brown aus Brownsville.
    Er sah auf, entdeckte mich und wandte sich mit hochgezogenen Schultern hastig ab. Doch ihm musste klar sein, dass ich ihn gesehen hatte, denn er wandte sich wieder zu mir um, einen Ausdruck abgekämpften Trotzes in seinem hageren Gesicht. Seine Nase war geschwollen und verfärbt, eine dunkelrote Knolle, die sogar im gräulichen Morgenlicht gut zu erkennen war. Er starrte mich kurz an, dann nickte er wie zu einer Art widerstrebender Bestätigung und wandte sich wieder ab.
    Ich riskierte einen Blick zurück, als wir den Wald betraten, konnte ihn aber nicht mehr sehen. Was machte er denn hier?
    Ich hatte seine Stimme nicht erkannt, aber es war eindeutig er gewesen, der sich mit Hodgepile darüber gestritten hatte, ob es klug sei, mich mitzunehmen. Kein Wunder! Er war nicht der Einzige, der über unser gegenseitiges Wiedererkennen erschrocken war.
    Lionel Brown und sein Bruder Richard waren Kaufleute, die Gründer und Patriarchen von Brownsville, einer kleinen Siedlung in den Bergen etwa vierzig Meilen von Fraser’s Ridge entfernt. Es war eine Sache, wenn Freibeuter wie Boble oder Hodgepile raubend und mordend das Land durchstreiften; es war etwas ganz anderes, wenn ihnen die Browns aus Brownsville die Basis für ihre Beutezüge boten. Das Letzte, was sich Mr. Lionel Brown auf der ganzen Welt wünschen konnte war, dass ich die Gelegenheit bekam, Jamie zu erzählen, was er getrieben hatte.

    Und ich ging stark davon aus, dass er Schritte ergreifen würde, um mich daran zu hindern. Die Sonne stieg jetzt empor und begann, die Luft zu erwärmen, doch mir war plötzlich so kalt, als hätte man mich in einen Brunnen gestürzt.
    Lichtstrahlen schienen durch das Geäst, vergoldeten die Überreste des Nachtnebels, der die Bäume verschleierte, und versilberte ihre tropfenden Blattränder. In den Bäumen ertönte Vogelgesang, und eine Grundammer hüpfte scharrend auf einem sonnigen Flecken herum, ohne die vorbeiziehenden Männer und Pferde zu beachten. Es war noch zu früh für Fliegen und

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