Ein Hauch von Schnee und Asche
Banditen, die mich am liebsten loswerden wollten, sein Ziel mit Hilfe der Dunkelheit zu erreichen, wollte ich nicht wie ein Opferlamm dort liegen. Wenn jemand an der Stelle herumschnüffelte, wo ich gelegen hatte, würde ich mit etwas Glück gewarnt sein und um Hilfe schreien können.
Ich wusste über jeden Zweifel erhaben, dass Jamie kommen würde. Meine Aufgabe war es zu überleben, bis er es tat.
Keuchend und schwitzend, mit zerbröseltem Laub bestreut und in zerrissenen Strümpfen rollte ich mich unter einer großen Hainbuche zusammen und vergrub mich wieder unter der Decke. So versteckt unternahm ich den Versuch, die Knoten meiner Handfesseln mit den Zähnen zu lösen. Doch Hodgepile hatte sie gebunden und es mit militärischer Gründlichkeit getan. Wenn ich die Seile nicht wie ein Nagetier durchkaute, hatte ich keine Chance.
Militär. Es war dieser Gedanke, der mich schlagartig darauf brachte, wer er war und wo ich ihn schon einmal gesehen hatte. Arvin Hodgepile! Er war Schreiber im königlichen Lagerhaus von Cross Creek gewesen. Ich war ihm vor zwei Jahren kurz begegnet, als Jamie und ich die Leiche eines ermordeten Mädchens zum Sergeanten der dortigen Garnison brachten.
Sergeant Murchison war tot – und ich hatte gedacht, dass Hodgepile es auch war, umgekommen in der Feuersbrunst, die das Lagerhaus und seinen Inhalt zerstört hatte. Ein Deserteur also. Entweder hatte er genug Zeit gehabt, aus dem Lagerhaus zu fliehen, bevor es in Flammen aufging, oder er war gar nicht dort gewesen. Jedenfalls war er so schlau gewesen zu begreifen, dass er diese Gelegenheit nutzen konnte, um sich aus der Armee Seiner Majestät abzusetzen. Schließlich ging alle Welt davon aus, dass er tot war.
Was er seitdem getan hatte, war ebenfalls klar. Er war durch das Land gezogen, um zu stehlen, zu rauben und zu morden – und unterwegs eine Schar gleich gesinnter Gefährten um sich zu sammeln.
Nicht, dass sie sich im Moment einig zu sein schienen. Hodgepile mochte zwar der selbst erklärte Anführer der Bande sein, doch es war deutlich zu sehen, dass er diesen Posten noch nicht lange innehatte. Er war es nicht gewohnt, Befehle zu erteilen; wusste nicht, wie man Männer führte, außer mit Drohungen. Ich hatte in meinem Leben schon viele militärische Befehlshaber gesehen, gute und schlechte, und ich kannte den Unterschied.
Selbst jetzt konnte ich Hodgepile noch in der Ferne hören, wo er die Stimme im Streit erhoben hatte. Ich hatte seine Sorte schon öfter erlebt, brutale Kerle, die die Menschen in ihrer Umgebung durch unvorhersehbare Gewaltausbrüche vorübergehend einschüchtern konnten. Sie hielten selten lange durch – und ich bezweifelte, dass Hodgepile seinen Posten noch sehr viel länger innehaben würde.
Jedenfalls nicht länger als Jamie brauchte, um uns zu finden. Dieser Gedanke beruhigte mich wie ein Schluck guten Whiskys. Inzwischen suchte Jamie mit Sicherheit nach mir.
Ich kuschelte mich dichter unter meine Decke, und ein Schauer überlief mich. Jamie würde Licht brauchen, um bei Nacht einer Spur zu folgen – Fackeln. Das würde ihn und seine Begleiter sichtbar – und verwundbar – machen, wenn sie in Sichtweite des Lagers kamen. Das Lager selbst würde nicht zu sehen sein; es brannte kein Feuer, und die Pferde und Männer waren im Wald verstreut. Ich wusste, dass Wachen aufgestellt worden waren; ich konnte sie dann und wann durch den Wald gehen oder leise reden hören.
Doch Jamie war kein Dummkopf, sagte ich mir und versuchte, die Visionen von Hinterhalten und Massakern zu vertreiben. Er würde es an der Frische des Pferdedungs erkennen, wenn er sich uns näherte, und er würde ganz bestimmt nicht mit flammenden Fackeln direkt zum Lager marschieren. Wenn er unsere Spur bis hierher verfolgt hatte, würde er -
Das Geräusch leiser Schritte ließ mich erstarren. Sie kamen aus der Richtung meines ursprünglichen Schlafplatzes, und ich kauerte unter meiner Decke wie eine Feldmaus, die ein Wiesel erspäht.
Die Schritte schlurften langsam hin und her, als stocherte jemand auf der Suche nach mir in den trockenen Blättern und Tannenadeln umher. Ich hielt die Luft an, obwohl das mit Sicherheit niemand hören konnte, da der Nachtwind hoch oben in den Ästen seufzte.
Ich spähte angestrengt in die Dunkelheit, konnte aber nichts weiter ausmachen als einen schwachen, verschwommenen Fleck, der sich etwa zehn Meter weiter zwischen den Bäumen bewegte. Mir kam ein plötzlicher Gedanke – konnte das Jamie sein? Wenn
Weitere Kostenlose Bücher