Ein Hauch von Schnee und Asche
er uns so nahe gekommen war, dass er das Lager lokalisierte, würde er sich wahrscheinlich zu Fuß hineinstehlen, um nach mir zu suchen.
Bei diesem Gedanken holte ich Luft und zerrte an meinen Fesseln. Ich hätte für mein Leben gern gerufen, wagte es aber nicht. Wenn es Jamie war ,
würde mein Ausruf den Banditen seine Gegenwart verraten. Wenn ich die Wachen hören konnte, konnten sie mich mit Sicherheit ebenfalls hören.
Doch wenn es nicht Jamie war, sondern einer der Banditen, der mich im Stillen umbringen wollte …
Ich atmete ganz langsam aus, und jeder Muskel in meinem Körper zitterte vor Anspannung. Eigentlich war es kühl, doch ich war in Schweiß gebadet; ich konnte meinen eigenen Körper riechen, Angstgeruch, der sich unter die kühleren Gerüche von Erde und Vegetation mischte.
Der Fleck war verschwunden, die Schritte verstummt, und mein Herz hämmerte wie eine Pauke. Die Tränen, die ich stundenlang unterdrückt hatte, quollen hervor, liefen heiß über mein Gesicht, und ich weinte lautlos zitternd.
Die Nacht ringsum war immens, die Dunkelheit voller Bedrohungen. Über mir hingen die Sterne leuchtend und wachsam am Himmel, und irgendwann schlief ich ein.
28
Verwünschungen
Ich erwachte kurz vor der Dämmerung in Schweiß gebadet und mit dröhnenden Kopfschmerzen. Die Männer waren schon auf den Beinen und beschwerten sich murrend darüber, dass es weder Kaffee noch Frühstück gab.
Hodgepile blieb neben mir stehen und funkelte mit zusammengekniffenen Augen zu mir herunter. Er blickte nach links zu dem Baum, unter dem er mich am Abend zuvor zurückgelassen hatte, und auf die tiefe Furche im Laub, die ich bei meiner Kriechtour zu meinem gegenwärtigen Platz hinterlassen hatte. Seine Lippen waren so schmal, dass man sie kaum sah, doch sein Kinn verkrampfte sich vor Ärger.
Er zog das Messer aus seinem Gürtel, und ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Doch er kniete sich nur hin und durchtrennte meine Fesseln, anstatt mir zum Ausdruck seiner Gefühle einen Finger abzuschneiden.
»Wir brechen in fünf Minuten auf«, sagte er und stampfte davon. Ich zitterte, mir war übel vor Angst, und ich war so steif, dass ich kaum stehen konnte. Doch ich schaffte es aufzustehen und stolperte das kurze Stück bis zu einem kleinen Bach.
Die Luft war feucht, und ich fror in meinem schweißdurchtränkten Hemd, doch das kalte Wasser, das ich mir auf Hände und Gesicht spritzte, schien mir gut zu tun und das Dröhnen hinter meinem rechten Auge zu lindern. Ich hatte gerade genug Zeit für eine hastige Morgentoilette, zog mir
die zerfetzten Strümpfe aus und fuhr mir mit feuchten Fingern durch das Haar, bevor Hodgepile wieder auftauchte, um mich vor sich herzuschubsen.
Diesmal wurde ich auf ein Pferd gesetzt, aber Gott sei Dank nicht gefesselt. Die Zügel durfte ich allerdings nicht festhalten; mein Pferd hatte einen Führstrick, den einer der Banditen festhielt.
Es war meine erste Gelegenheit, mir meine Entführer genauer anzusehen, als sie jetzt aus dem Wald kamen und sich zurechtschüttelten. Sie husteten, spuckten und urinierten gegen die Bäume, ohne Rücksicht auf meine Anwesenheit zu nehmen. Außer Hodgepile zählte ich noch zwölf weitere Männer – eine richtige Wilde Dreizehn.
Der Mann namens Tebbe war leicht auszumachen; abgesehen von seiner Größe war er Mulatte. Es gab noch einen weiteren gemischtrassigen Mann – schwarz und indianisch, dachte ich -, doch er war klein und kräftig. Tebbe blickte nicht in meine Richtung, sondern erledigte mit gesenktem Kopf und finsterer Miene seine Aufgaben.
Das war eine Enttäuschung; ich hatte keine Ahnung, was im Lauf der Nacht zwischen den Männern vorgefallen war, doch offenbar war Tebbes Forderung, mich freizulassen, jetzt ihres Nachdrucks beraubt. Er hatte ein rostfleckiges Taschentuch um sein Handgelenk gebunden; möglicherweise hatte das ja etwas damit zu tun.
Der junge Mann, der gestern Abend mein Pferd geführt hatte, war aufgrund seines langen, buschigen Haars ebenfalls leicht zu erspähen, doch er kam nicht in meine Nähe und vermied es ebenfalls, mich anzusehen. Zu meiner großen Überraschung war er Indianer – kein Cherokee, vielleicht ein Tuscarora? Seinem Akzent nach hatte ich das nicht erwartet.
Der Rest der Bande war mehr oder weniger weiß, aber ein wild zusammengewürfelter Haufen. Drei von ihnen waren kaum mehr als Jungen, um die fünfzehn, mit spärlichem Bartwuchs, schmächtig und verdreckt. Sie sahen mich an, mit offenem
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